Judith Hermann analysiert Ihr eigenes Leben, Sein und Schaffen

Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern Leerer Stern
luisabella Avatar

Von

In ihrem neuen autobiografisch geprägten Werk »Wir hätten uns alles gesagt« analysiert und seziert die Autorin Judith Hermann ihre Gedanken, Träume, Freundschaften, (Wahl-)Verwandtschaft und Familie, über ihre Psychoanalyse, ihr schriftstellerisches Sein und Schreiben. Ich würde es daher sogar eher als Memoir einstufen.

In diesem Buch schreibt sie darüber, wie sie schreibt und warum sie schreibt: »Aber sich etwas ausdenken, hieße für mich, aus der Wirklichkeit hinaus und in eine andere Wirklichkeit hinein zu wollen - und das ist eben genau das, was ich nicht will. Ich will in diese eine unbegreifliche Wirklichkeit hinein, ich will schreiben, dass ich sie nicht begreife, und ich will darauf bestehen, dass sie, alles in allem, auch nicht zu begreifen ist.« (S.100)

Sie schreibt folglich, um die Realität zu verarbeiten, vielleicht um sie als ihre eigene zu beschreiben und sicherlich auch als eine Art Selbsttherapie. Im Buch schreibt sie ebenfalls darüber, dass all ihre Werke autofiktionale Bezüge enthalten und sie es sich zur Kunst gemacht hat, diese zu verschleiern und so zu bearbeiten, dass dies keine biografischen Erzählungen bleiben. Daher gibt es zahlreiche Verweise auf ihre anderen Werke, deren Kenntnis zum Gesamtverständnis dieses Buches sicherlich enorm beiträgt.

Das Buch gliedert sich in drei Teile, wobei die einzelnen Teile weder Kapitel noch Überschriften haben, was mir sehr gefehlt hat und mehr Struktur und Verständnis für mich erzeugt hätte. Unabhängig davon kann ich ihren Thesen, wie bspw. dieser im nachstehenden Zitat, nicht folgen und mir fehlen Erläuterungen, Beispiele, Gedankenausführungen dazu:

»Geschichten schreiben heißt misstrauisch sein. Lesen heißt, sich darauf einzulassen. Jede Geschichte erzählt von einem Gespenst. Am Ende ist das Zentrum der Geschichte ein Schwarzes Loch, aber es ist nicht schwarz, und es ist nicht finster. Es kann im besten Falle glühen.« (S.128)


Insgesamt muss ich sagen: Das war leider nichts zwischen diesem Buch und mir. Bestimmt gibt es viele Lesende, die dieses Buch sehr lieben werden, aber ich gehöre nicht dazu. Für mich waren die Gedanken manchmal zu wirr, zu sprunghaft und auch zu wenig verbunden. Vielleicht habe ich Judith Hermann einfach nicht verstanden, oder es bedarf einer Angehörigkeit einer gewissen Generation, um dies zu können. Mir bleibt nur zu sagen: Ich habe das Zentrum des Gespensts nicht als schillerndes und glitzerndes Glühen entdecken können und wünsche allen anderen Lesenden dabei viel Erfolg!