Schwestern und Skandale

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agathas Avatar

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Für mich war Wir sind schließlich wer der erste Roman von Anne Gesthuysen, den ich gelesen habe. Obwohl ich Atheistin bin, war ich gespannt darauf, einen Roman aus Sicht einer Pastorin zu lesen. Es ist eine Perspektive, die ich als Leserin bisher noch nie eingenommen habe.
Der Fokus des Buchs liegt aber auf der Familie van Betteray. Es gibt immer wieder Rückblicke in die Kindheit und Jugend der Schwestern Anna und Maria, woraus sich ablesen lässt, wie sich die beiden „auseinanderentwickelten“. Dem liegt zugrunde, wie die beiden ganz grundsätzlich auf ihre adlige Herkunft reagieren. Während das Wahren des Standes für Maria sehr wichtig ist, legt Anna darauf keinen Wert. Und so entwickelt sich zwischen ihnen eine immer größere Kluft, die kaum überwindbar scheint.
Schön fand ich, dass Anne Gesthuysen zeigt, dass keine der beiden Haltungen grundsätzlich falsch ist. Man kann in beiden Konstellationen glücklich werden, unglücklich sein oder irgendwas dazwischen. Sowohl Anna als auch Maria haben ihre Probleme und bei beiden besteht das Potenzial, trotzdem das ganz persönliche Glück zu finden. Zudem hat mir gefallen, dass die beiden einander, alle Unterschiede beiseite, unterstützen, wenn es mal wirklich hart auf hart kommt. Teilweise hatte ich das Gefühl, dass es Gesthuysen eher darum ging, zu zeigen, wie hohe Erwartungen an die eigenen Kinder und der damit einhergehende Druck vonseiten der Eltern, hier vor allem der Mutter, sich zu häufig eben doch negativ auf das Leben der Kinder auswirkt.
Auch gut gefallen hat mir, dass sie auf aktuelle Themen, insbesondere den Cum-Ex-Skandal, eingeht. In der Öffentlichkeit ist der ja schon wieder hintenübergefallen, was in sich ein großes Problem ist. Der Fokus lag und liegt aber, berechtigter Weise, auf dem enormen Schaden, der in den Steuerkassen angerichtet wurde. Auf ganz kleiner Ebene zeigt die Verhaftung von Marias Mann aber auch, wie das eine ganze Familie aus der Bahn werfen kann.
Ein spannendes Buch mit Themen, über die man leider viel zu selten liest und einer Schwesternbeziehung, die für mich einerseits ganz fremd und andererseits gut nachempfindbar ist.