Unterhaltsam, aber mit weniger Tiefgang als erwartet

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„Wir sind schließlich wer“ von Anne Gesthuysen brilliert mit einer überaus ungewöhnlichen und dadurch hochinteressanten Protagonistin: Anna von Betteray entstammt einer katholischen Adelsfamilie, hat sich aber für eine Laufbahn als evangelische Pfarrerin entschieden und mischt nun das kleine Dörfchen Alpen auf, in dem das Wort „Privatleben“ ein Fremdwort zu sein scheint. Was zunächst wie eine klassische Familienkomödie klingt, bekommt bald ernstere Züge, ist darin aber nicht konsequent und bleibt dadurch eher mittelmäßig.

Anna hat keine leichte Stellung an ihrem neuen Arbeitsplatz, denn im Dorf zerreißt man sich das Maul über sie und hätte lieber den alten Herrn Pfarrer zurück. Auch ihre Familie lässt sie gehörig spüren, dass sie die Erwartungen (einen Adligen heiraten und die Füße stillhalten) nicht erfüllt. Und dann ist da noch ein dunkles Trauma in Annas Vergangenheit, das ihr Leben gewaltig aus der Bahn geworfen hat. Einzig ihr Neffe Sascha ist ein echter Lichtblick für sie – bis er eines Tages spurlos verschwindet und sie bei der Suche nach ihm den unliebsamen Kontakt mit ihrer Familie intensivieren muss. Dabei kommt so einige schmutzige Wäsche ans Tageslicht …

In „Wir sind schließlich wer“ geht es viel um Status, gesellschaftliche und familiäre Erwartungen, Verpflichtungen und Vorurteile. Der Ansatz zur Diskussion dieser Themen ist klug gewählt, denn Anna sitzt irgendwie zwischen allen Stühlen und ist dadurch eine ausgesprochen interessante Figur. Jedoch wird das leider ein wenig dadurch zunichte gemacht, dass das Buch viel mit flachem Humor und stereotypen Figuren arbeitet. Da sind die Klatschbasen aus dem Dorf, die Anna auf völlig überzogene Weise ständig irgendwelche Affären unterstellen, die adlige Mutter, die die Nase unfassbar weit oben trägt, der unsympathische Graf von und zu, der natürlich auch Steuern hinterzieht, und die rigorose, aber herzensgute alte Tante, die alle Fäden in der Hand hält. Dieses Figureninventar sorgt, zusammen mit einigen eher unglaubwürdigen Entwicklungen und der ständigen Präsenz eines möglichen Love Interest, dafür, dass das Buch vor allem gegen Ende doch stark in Richtung Familienkomödie abgleitet.

Das ist ein wenig schade, denn die Autorin hat einen sehr angenehm lesbaren Stil und hat mit Anna eine wirklich vielschichtige und nahbare Protagonistin mit viel Potenzial erschaffen. „Wir sind schließlich wer“ ist ein durchaus unterhaltsames Buch, bleibt aber deutlich hinter den Erwartungen zurück, die es zu Beginn geschürt hat.