Verschenkte Chance

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Die Autorin nimmt in ihrem ambitionierten Roman die unterschiedlichen Opfergruppen des Vietnamkrieges in den Blick: Da ist beispielsweise der Amerasier, der im eigenen Land aufgrund seiner Hautfarbe diskriminiert wird und der von einem besseren Leben in Amerika träumt, da der amerikanische Veteran, ehemals Hubschrauberpilot, der an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet und mit seiner Schuld leben muss, die jungen Mädchen, die, um der Armut zu entkommen, zu Prostituierten werden. Und man bekommt einen Einblick, wie die Korruption innerhalb der Gesellschaft die Ausbeutung, die von Kolonialmächten begonnen wurde, fortsetzt. Die Zeitebenen sind die Zeit des Krieges, einige Jahre später und das Jahr 2016. Diese Aspekte geben einen recht detaillierten Einblick in die Schrecken und Grausamkeiten, die ein Krieg für alle Beteiligten mit sich bringt. Es ist der Autorin gelungen, diese in den Fokus zu rücken und ein Bewusstsein dafür zu schaffen. Nicht gelungen ist bedauerlicherweise die literarische Umsetzung. Die Figurenperspektiven sind oft unglaubwürdig gestaltet, die Sprache wird den Menschen nicht gerecht, sie bleiben Typen statt zu Charakteren gestaltet zu werden. ‚Du bist das Beste, was mir je passiert ist‘ – eine solche hohle Phrase, heute leider oft gehört, wird einer Nonne in den Mund gelegt, die ein Waisenkind großzieht. Und kommt ein weiteres Mal im Roman vor. Die Liebesszenen sind entweder verkitscht (Sein Atem duftete nach Honig und fühlte sich so frisch an wie Morgensonne auf ihrer Haut) oder derb formuliert. Der Amerikaner Dan, der mit seiner Frau zurückkommt, damit er an seinem Trauma arbeiten kann, formuliert in Gedanken, die junge Geliebte habe ihm ‚die Augen dafür geöffnet, dass die Vietnamesen genauso Menschen waren wie die Amerikaner.‘ Eine solche Erkenntnis sollte in einem Roman durch die Gestaltung deutlich werden, hier jedoch wird alles ausformuliert und plattgeredet. Das, was Literatur sein soll, wird zum Traktat. Vertraut die Autorin der Intelligenz der Leser/innen nicht oder hat sie kein Zutrauen zur eigenen Leistung? Es erscheint überflüssig zu erwähnen, dass sehr viele Zufälle zusammenkommen müssen, damit am Ende alle Erzählfäden zusammenlaufen. – Schade!