Bedeutungsschwer

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sternchenblau Avatar

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Selten wusste ich bei einer Rezension so wenig, was ich schreiben soll. Ich war beim Klappentext und erst recht bei dem tollen Cover total angefixt (das in echt mit der geriffelten Oberfläche nochmal toller aussieht). Ich mag den Grundgedanken, der schon mit „Wozu wir fähig sind“ programmatisch im Titel steht, aber leider konnte mich das Buch emotional nicht erreichen. Dass hier ein spannender Stoff verschenkt wurde, ist etwas, dass ich zusätzlich bedauere.

Das erste Drittel war zwar recht rätselhaft, vieles wurde aber über die unterschiedliche Informationsvermittlung zwischen Protagonist:innen und Lesenden erzeugt, was ich generell unbefriedigend finde, wenn es zu oft geschieht. Trotz der Rätselhaftigkeit kam so für mich keine Spannung auf. Das wurde so richtig verstärkt, weil mir die Charaktere alle ziemlich egal blieben. Nach und nach bestätigten sich dann erste Vermutungen, die ich gehegt habe, aber das war dennoch kein befriedigendes Gefühl. Das war dann auch mit der Auflösung so, die ich ab einem gewissen Zeitpunkt dann auch habe kommen sehen.

Dann kaufe ich den Ort nicht ab: Alina schildert die Stadt so, als wäre sie in einer Kleinstadt hängengeblieben, wo sich alle kennen. Dazu passt dann aber Jura-Fakultät und U-Bahn nicht. Irgendwie fühle ich mich eher bei US-„rich kids“ als irgendwo im deutschen Westen. Es gab noch viele andere Kleinigkeiten, die für mich nicht zusammengepasst haben – und bei der einer ganz zentralen Grundannahme (die ich aber nicht spoilern will) habe ich auch meine ganz großen Zweifel, ob das wirklich so passieren könnte. Und manche Reaktionen der Protagonist:innen blieben mir nicht nachvollziehbar (was der Anwalt-Vater macht, z.B.).

Manches fand ich auch stilistisch unglücklich. Das Figureninventar ist echt schon recht groß und eigentlich kam ich damit noch zurecht. Aber dann wurde manchmal lapidar von „der Mann“ geschrieben o.ä., so dass ich innerhalb einer Szene nicht mehr wusste, von wem da die Rede sein soll.

Ich habe das Buch innerhalb von einem Tag gelesen. Das ist oft ja ein gutes Zeichen, aber hier habe ich es gemacht, weil ich es wohl nicht mehr zur Hand genommen hätte, falls ich es einmal weg gelegt hätte. Und ich wollte dann doch noch wissen, ob meine Vermutungen zutreffen.

Fazit
Bedeutungsschwer und rätselhaft, aber nicht spannend. Dazu Schwächen in Plot und Stilistik. Ich bin auch enttäuscht, weil die Autorin eigentlich viel mehr hätte machen können. Ich hätte das Buch wirklich gerne besser bewertet, aber so lande ich leider nur bei 2 Sternen.


CN / Content Note: Suizid, Gewalt, auch an Kindern, Drogenkonsum, Gaslightning