Wenn die Vergangenheit dich einholt...

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matheelfe Avatar

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„...Leonora hatte Menschenmengen nie gemocht, und Partys bildeten dabei keine Ausnahme. Aber es gab Gründe, hier zu sein, so wie es Gründe gab für alles, was sie tat, und so gab sie sich gelassener, als sie eigentlich war, und schlenderte durch die Räume, in denen Studenten in Gruppen plaudernd und tanzend zusammenstanden...“

Alexander und Leonora erscheinen das erste Mal auf einer Studentenparty. Es ist Alexanders Ausstrahlung, die dafür sorgt, dass sie sofort in der Runde aufgenommen werden. Alexander erzählt eine Geschichte, die sich im Zusammenhang mit dem Haus abgespielt haben soll. Vor allem die Damen und Herren Jurastudenten geben ihre Kommentare dazu ab.
Die Autorin hat einen spannenden Jugendthriller geschrieben. Das Besondere ist, dass die meisten der Beteiligten aus dem begüterten Milieu stammen. Die Clique kennt sich zum Teil schon aus einer Privatschule.
Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Die Handlung wird aus verschiedenen Gesichtspunkten erzählt. Ab und an gibt es Rückblenden in die Vergangenheit. Dort geht es um einen jungen Mann, der damals 15 Jahre alt war und nun nicht mehr zur Gruppe gehört.
Schnell ist klar, welche Rolle Alexander im Roman hat. Trotzdem bleibt fast bis zum Schluss im Dunkeln, was in der Vergangenheit wirklich warum passiert ist. Über Leonoras Leben erfahre ich lange nur Bruchstücke. Beschrieben wird sie so:

„...Stiefel, schwarze Jeans, knielanger Mantel, ein cremeweißer Schal. Das tiefschwarze Haar war am Hinterkopf aufgesteckt, bis auf ein paar Strähnen, die ihr seitlich ins Gesicht fielen. Sie war wirklich ungemein hübsch...“

Mit Alexander an ihrer Seite geht es bei ihr endlich aufwärts. Sie holt in der Abendschule ihr Abitur nach. Trotzdem sind die beiden kein Liebespaar, auch wenn das nach außen hin so wirkt.
Die Charakteristik der einzelnen Personen ist sehr unterschiedlich. Während Robin und Alina sehr viel über sich preisgeben, bleibt Patrick für mich bis zum Schluss ein Rätsel. Sein letztes Gespräch mit Alina zeugt für mich von mangelndem Unrechtsbewusstsein und fehlender Reue. Erst dachte ich, sein soziales Engagement ist ein Zeichen dafür. Nach dem Gespräch allerdings bin ich mir da überhaupt nicht sicher. Es könnte auch nur schöner Schein sein.
Das Buch zeichnet sich durch eine innere Spannung aus, die sich aus den häufig wechselnden Handlungsorten und erzählenden Protagonisten ergibt, aber auch aus dem Nichtwissen, was vor Jahren so einschneidend in mehrere Lebensläufe eingegriffen hat.
In der Gegenwart geht es um Rache. Auslöser dafür aber sind verdrängte Schuld und Gier nach einem guten Leben. Hart klingen Alinas Worte zu Robin:

„...Ausgerechnet du erzählst mir was von Freundschaft? Wenn du sogar deinen besten Freund verrätst, worauf kann ich denn dann wohl zählen, wenn ich etwas besitze, dass du haben willst?...“

Alina ist die einzige, die ahnt, wer Alexander ist.
Jedes Kapitel beginnt mit dem Ausspruch einer der Protagonisten. Mit ihren Worten sagen sie mehr, als sie ahnen.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Trotzdem lässt es mich betroffen zurück. Es zeigt erneut, dass Recht haben und Recht bekommen zwei unterschiedliche Seiten einer Medaille sind.Und es beweist, wie schnell eine einzige falsche Handlung sich verselbständigt und Leben zerstört.