XY

Deshiszenz und ein rot gefärbter Baum

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
buecherfan.wit Avatar

Von

Die Leseprobe aus Sandro Veronesis XY ist recht ungewöhnlich und ausgesprochen geheimnnisvoll.  Der Schauplatz der Handlung ist das kleine Dorf Borgo San Giuda, in dem nur noch 42 Einwohner leben. Mysteriöse Vorausdeutungen kündigen schlimme Ereignisse an: "..., niemand wird jemals begreifen, warum das, was geschehen ist, gerade dort geschehen ist, wo nie etwas geschah." (S. 11). Es gibt zwei Handlungsstränge mit zwei verschiedenen Ich-Erzählern. Im Mittelpunkt des einen steht Giovanna, 31, Psychologin, die eines Morgens mit einer stark blutenden Wunde aufwacht. Unerklärlicherweise hat sich eine fünfzehn Jahre alte Narbe geöffnet. Sie geht der Sache nach und informiert sich im Internet über Deshiszenz. Im zweiten Handlungsstrang wird vermutlich aus der Perspektive des Pfarrers berichtet. Seine Schilderung betreffen das furchtbare Ereignis, das den Ort San Giuda und seine Einwohner für immer verändert. Eines Tages kommt der Schlitten von Beppe Formento mit nur einem verstörten Pferd und leer zurück. In dem Wald mit dem von Beppe Fromento vereisten Baum findet der Suchtrupp aus San Giuda viel Blut und Leichenteile im Schnee. Aus dem Klappentext weiß der Leser, dass es sich um elf Leichen handelt, und für jeden Toten gibt es eine andere Todesursache.

So weit die Ausgangssituation. Der Beginn des Romans ist rätselhaft und fesselnd. Der Leser fragt sich, was da passiert ist und wie es geschehen konnte. Die angedeuteten Ereignisse wirken nicht völlig realistisch. Es scheint sich nicht um einen typischen Thriller zu handeln. Sehr detaillierte Beschreibungen von verschneiten Landschaften - zum Beispiel auch von der überirdischen Schönheit des rot gefärbten vereisten Baums - stimmen den Leser ebenso ein wie die zahlreichen Vorausdeutungen, die das schier Unfassbare ankündigen. Nichts wird jemals wieder so sein, wie es war. ("Es war, ..., der letzte unbeschwerte Gedanke in meinem ganzen Leben,..." S. 27). Sprachlich-stilistisch wirkt der Romananfang sehr anspruchsvoll und macht Lust auf die Fortsetzung. Ich bin sehr gespannt.