XY

Anstrengend, aber lohnenswert!

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waldeule Avatar

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Bei diesem Buch finde ich es sehr schwer, meine zahlreichen Gedanken und vor allem Gefühle, die sich zum Teil auch noch wiedersprechen, einigermaßen verständlich zusammenzufassen. Denn der Titel „XY“ ist bei diesem Buch Programm – genau so wenig fassbar ist auch der gesamte Inhalt.

Aber um es kurz zu machen: ich fand das Buch sehr schwierig und anstrengend zu lesen, aber auf alle Fälle lohnenswert. Meinen größtenteils sehr negativen Vorschreibern kann ich mich damit nicht anschließen. Veronesi verlässt mit seinem Buch inhaltlich, aber auch sprachlich, ausgetretene literarische Wege und betritt (zumindest für mich, die ich noch nie vergleichbares gelesen habe) völliges Neuland. Als Leser muss ich mich somit auf ein ganz und gar ungewöhnliches Buch einlassen und darf kein herkömmliches Handlungsmuster mit einer klassischen Auflösung erwarten. Das Buch hat mich gefordert, doch nach dem Beenden der Lektüre hatte ich ein Hochgefühl, um nicht zu sagen, ein Glücksgefühl.

Von vorne: Was habe ich mich geplagt mit dem Buch! Es war anstrengend, dieses Buch zu lesen. Oft wäre ich an den endlosen Schachtelsätzen, den zahlreichen Fachbegriffen aus der Psychologie und den vielen italienischen Personen, die ich nie auseinanderhalten konnte, fast verzweifelt. Noch schlimmer war die völlige Ahnungslosigkeit, auf was der Autor mit seiner Geschichte über menschlich gesehen unmögliche Todesfälle hinauswill. Es war wie ein Herumirren im dichten Schneetreiben (wie im Buch geschildert). Noch kurz vor dem Ende des Buches hatte ich nichts als den sehnlichen Wunsch, endlich fertigzuwerden. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie der Autor aus diesem Chaos einen Ausweg finden wollte.

Doch es ist ihm gelungen. Veronesi schaffte es, diesem seltsamen Buch einen absolut gelungenen Schluss zu geben. Einen, der einfach nur passt, der zwar viele Fragen offenlässt, der aber dennoch diese merkwürdige Geschichte positiv und abgerundet schließt. Viele bemängelten, es gäbe keine „richtige“ Auflösung, doch für mich war der Schluss (den man aber komplett lesen muss und auch nur im Kontext verstehen kann) der Grund, das Buch trotz aller Anstrengungen beim Lesen positiv zu sehen. Wirklich gelungen!

Auch sprachlich ist das Buch ein Meisterwerk. Es erzählen abwechselnd zwei völlig unterschiedliche Personen, doch beide in ihrer eigenen, unverkennbaren Sprache. Pfarrer Don Ermete reflektiert und überlegt, Psychaterin Giovanna sprunghaft, abgehackt, manchmal fast panisch. Beiden Personen kommt man so in ihrer Gedankenwelt sehr nahe. Die gesamte Handlung passiert langsam und gemächlich, was zwar gerade anfangs etwas nervt, aber zu diesem Buch passt und dazugehört.

Erwähnen möchte ich noch die sehr informative Internetseite zum Buch. Dort findet sich ein Stammbaum der beteiligten Personen und ein Glossar, was mir das Lesen zumindest etwas erleichtert und mir im Buch gefehlt hat. 

Bevor ich schließe, noch ein Appell an alle zukünftigen Leser (von denen ich dem Buch ganz viele wünsche): Erwartet auf gar keinen Fall ein herkömmliches Buch (schon gar keinen Thriller – denn das ist es definitiv nicht), sondern lasst euch auf eine ungewöhnliche Geschichte ein.

Mein Fazit: Ein ganz und gar ungewöhnliches, wenig fassbares Buch, dass mich trotz großer Anstrengung beim Lesen mit einem sehr guten Gefühl zurücklässt. Ich werde es so schnell nicht vergessen. Lasst euch darauf ein und lest es!

Für fünf Punkte war es mir zu anstrengend zu lesen, aber vier hat es auf alle Fälle verdient!