XY

Religion versus Psychologie

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Der Roman von Sandro Veronesi „XY“ ließ mich seltsam unberührt. Nur in wenigen Momenten fühlte ich mich gefesselt und dann trieb es mich wieder für ein paar Seiten durch die Geschichte. Dann wieder war es, als ob ein Stoppschild vor mir aufgebaut wurde. Der Roman ist gut geschrieben, aber leider spannungslos.

Erst gegen Ende kamen mir die beiden Protagonisten, die Psychologin Giovanna und der Priester Don Ermete aus deren beiden Perspektiven hier erzählt wird, näher. Nämlich in dem Moment, als deren Perspektiven miteinander verschwimmen und sie sich im direkten Dialog befinden. Bis dahin sind die beiden Erzählstimmen getrennt: der ironische Ton der Psychologin und der eher sachliche Bericht des Pfarrers.

Da hat sich der Autor in meinen Augen zu viel vorgenommen: Die Sichtweisen der Psychologie und der Religion gegeneinander zu stellen - beides hat ja die Aufgabe, das Menschsein zu erklären. Immerhin versucht er, die beiden Pole am Ende zueinander zu bringen. Aber es kann NATÜRLICH keine Auflösung geben - wenn man es denn philosophisch betrachtet. Und für den „Fall“ gibt es dann leider auch keine Auflösung.

Die Buchstaben XY hatte ich von Beginn an mit Blut, bzw. mit Chromosomen in Verbindung gebracht. Diese Assoziation hat sich für mich nicht aufgelöst. Es geht zwar um eine grausame Bluttat, aber mit Chromosomen bzw. Vererbung hat das Alles nichts zu tun. Dann frage ich mich allerdings, warum es hier zum Titel des Romans genommen wurde.

Darüber hinaus schätze ich es nicht besonders, wenn mir als Leser immer und immer wieder erzählt wird, wie ungeheuer grausam, unvorstellbar, unaussprechlich und unglaublich das Geschehene ist. Das möchte ich - bitteschön - erleben.

Es gibt im Kreativen Schreiben die sinnvolle Methode des „show, don´t tell“. Die hier angewendet, hätte mich der Roman sicher gepackt. Aber so ...