Gelungene Sozialstudie – nicht für schwache Nerven
Ein starker Roman über das Leben der unteren sozialen Gesellschaftsschicht in Glasgow zu Beginn der 1980er Jahre. Das Buch ähnelt dem ersten Roman Stuarts (Shuggie Bain) sehr stark, wobei das nicht negativ gemeint ist.
Auch Young Mungo spielt im gleichen Milieu – zur gleichen Zeit – in der gleichen Stadt und behandelt die gleichen Probleme. Viel Gewalt, zerrüttete Familien, Alkoholprobleme, Geldsorgen. Alles wirkt aufeinander, alles hängt zusammen. Es ist ein Kreislauf, der nahezu nicht zu durchbrechen ist.
Aber Young Mungo ist ein stärkerer Roman als es Shuggie Bain war. Warum? Weil Stuart noch vielschichtiger schreibt. Und das sehr geschickt und ohne sich zu verzetteln. Neben der Rivalität und den sehr gewalttätigen Auseinandersetzungen protestantischer Gangs (von denen Mungos älterer Bruder einer der Anführer ist) mit deren katholische Pendants lenkt Stuart den Blick zusätzlich auf das Thema Homosexualität. Ein Thema, welches es in dem Milieu zumindest zu Beginn der 1980er Jahre nicht geben darf. Und falls es dieses Thema doch gibt, dann ist das zunächst ein Eingeständnis von Schwäche. Zudem ist es schlicht gefährlich. Schwule sind vogelfrei. Es ist schlicht gefährlich, sich zu outen. Die Familie lässt dich fallen, die Freunde, die Gang. Schwul sein wird schlicht nicht akzeptiert.
„Es gab keine größere Schande, als eine Schwuchtel zu sein; machtlos, weich wie eine Frau.“
Wie bereits in Shuggie Bain gibt es auch in diesem Buch einen Hauptcharakter, dessen Geschichte erzählt wird. Auch bei diesem Buch taucht dieser Charakter im Buchtitel auf. Young Mungo. Benannt nach einem schottischen Heiligen. Stuart baut drei Handlungsstränge auf; in jedem ist Mungo der zentrale Charakter.
Handlungsstrang 1
Mungos Leben mit seinen beiden älteren Geschwistern und seiner alkoholabhängigen Mutter. Die Geschichte wird mehr oder weniger linear über einen Zeitraum von etwa 4 Monaten erzählt.
Mungo fühlt sich verantwortlich für seine Mutter. Er lebt für sie wie sie als Mutter eigentlich für ihn leben müsste. Mungo ist ihr Fußabtreter, ihr Spiegel, ihr Kumpel und ihr Hund. Einfach schlimm, derartiges lesen zu müssen und auf der anderen Seite ein Glück, derartiges lesen zu dürfen.
Der ältere Bruder führt eine Gang an und zwingt Mungo, bei den Auseinandersetzungen mitzumachen, was Mungo nicht will. Aber er muss.
Er liebt seine Schwester, was auf Gegenseitigkeit beruht. Mitunter ist es rührend zu lesen, wie beide mit der Situation umgehen, dass keine Nahrungsmittel im Hause sind und die Mutter tagelang nicht nach Hause kommt.
Eine ungewollte Schwangerschaft der Schwester kommt und geht mit einer privat durchgeführten Abtreibung wieder vorbei. So einfach ist das.
Der Alltag Mungos und seiner Schwester ist wirklich deprimierend und macht mich als Leser traurig. Am liebsten würde man in das Buch einsteigen und beiden helfen.
Handlungsstrang 2
Die Geschichte von Mungo und James. Beide verlieben sich ineinander und Mungo sammelt mit James – der 2 Jahre älter ist – seine ersten intimen Erfahrungen. Die Szenen zwischen Mungo und James werden von Stuart überaus eindrucksvoll und realistisch geschildert. Das ist wahrlich große Literatur, die es vermag, als Leser Gefühle nachvollziehen und spüren zu können, die man im realen Leben nie hatte und wahrscheinlich auch nie haben wird.
Als sich Mungo zwischen James und seinem Bruder entscheiden muss, trifft Mungo die falsche Wahl und zieht mit der Gang seines Bruders in die Schlacht gegen die Katholiken.
Es kommt zu sehr unschönen Gewaltszenen zwischen Mungos älterem Bruder und James. Das ist wirklich nicht einfach zu lesen.
Zum Glück hat das Buch ein versöhnliches Ende, wenn man es als Leser so annehmen will.
Handlungsstrang 3
Obwohl dieser Handlungsstrang chronologisch gesehen erst 3 Tage vor Ende des Buches beginnt, baut Stuart Teile von Beginn des Buches an ein und steigert die Spannung hierdurch immens. Dem Leser wird sehr schnell klar, dass es in diesem Handlungsstrang zu einer Katastrophe kommen wird.
Nachdem Mungos Familie von seinen Neigungen erfahren hat, vertraut Mungos Mutter ihren Sohn zwei fremden Männern an. Diese hat sie auf einem Treffen der AA kennengelernt, ohne sie zu kennen. Als sie sich über Mungo und seine Neigungen bei der Gruppe beschwert, bieten die beiden an, mit Mungo ein Wochenende lang zu zelten und einen Mann aus ihm zu machen. Natürlich
absolut verantwortungslos. Aber im Kontext des Romans absolut nachvollziehbar.
Die beiden Männer sind verurteilte Kinderschänder. Als dies klar wird, beschleicht den Leser eine Angst davor, was auf den nächsten Buchseiten passieren wird. Als einer der Männer seine eigene Mutter anruft und von seinem ‚Zelt-Ausflug‘ berichtet, fragt die Mutter besorgt, ob da auch irgendwelche Kinder seien. Bei dieser Stelle läuft es dem Leser kalt den Rücken herunter. Ich habe richtig Angst um Mungo bekommen.
Ergebnis des Wochenendtrips sind sexuelle Übergriffe bzw. Vergewaltigungen durch die beiden Männer, ein versuchter Mord an Mungo und am Ende zwei tote Männer.
Unglaublich, was Stuart seinen Lesenden zumutet. Das Buch ist extremer als es Shuggie Bain war und hat mich stellenweise in seiner Härte, Brutalität und deren realistischen Darstellungen an ‚Ein wenig Leben‘ erinnert, obwohl dieser Roman weiterhin unerreicht ist.
Ein sehr starkes Buch, wenn man die Brutalität und die grauenhaften Umstände, in denen gelebt wird, verkraften kann. Dann aber ist das Buch eine gelungene Sozialstudie, die man nicht besser von einem Sozialhistoriker erwarten kann.
Auch Young Mungo spielt im gleichen Milieu – zur gleichen Zeit – in der gleichen Stadt und behandelt die gleichen Probleme. Viel Gewalt, zerrüttete Familien, Alkoholprobleme, Geldsorgen. Alles wirkt aufeinander, alles hängt zusammen. Es ist ein Kreislauf, der nahezu nicht zu durchbrechen ist.
Aber Young Mungo ist ein stärkerer Roman als es Shuggie Bain war. Warum? Weil Stuart noch vielschichtiger schreibt. Und das sehr geschickt und ohne sich zu verzetteln. Neben der Rivalität und den sehr gewalttätigen Auseinandersetzungen protestantischer Gangs (von denen Mungos älterer Bruder einer der Anführer ist) mit deren katholische Pendants lenkt Stuart den Blick zusätzlich auf das Thema Homosexualität. Ein Thema, welches es in dem Milieu zumindest zu Beginn der 1980er Jahre nicht geben darf. Und falls es dieses Thema doch gibt, dann ist das zunächst ein Eingeständnis von Schwäche. Zudem ist es schlicht gefährlich. Schwule sind vogelfrei. Es ist schlicht gefährlich, sich zu outen. Die Familie lässt dich fallen, die Freunde, die Gang. Schwul sein wird schlicht nicht akzeptiert.
„Es gab keine größere Schande, als eine Schwuchtel zu sein; machtlos, weich wie eine Frau.“
Wie bereits in Shuggie Bain gibt es auch in diesem Buch einen Hauptcharakter, dessen Geschichte erzählt wird. Auch bei diesem Buch taucht dieser Charakter im Buchtitel auf. Young Mungo. Benannt nach einem schottischen Heiligen. Stuart baut drei Handlungsstränge auf; in jedem ist Mungo der zentrale Charakter.
Handlungsstrang 1
Mungos Leben mit seinen beiden älteren Geschwistern und seiner alkoholabhängigen Mutter. Die Geschichte wird mehr oder weniger linear über einen Zeitraum von etwa 4 Monaten erzählt.
Mungo fühlt sich verantwortlich für seine Mutter. Er lebt für sie wie sie als Mutter eigentlich für ihn leben müsste. Mungo ist ihr Fußabtreter, ihr Spiegel, ihr Kumpel und ihr Hund. Einfach schlimm, derartiges lesen zu müssen und auf der anderen Seite ein Glück, derartiges lesen zu dürfen.
Der ältere Bruder führt eine Gang an und zwingt Mungo, bei den Auseinandersetzungen mitzumachen, was Mungo nicht will. Aber er muss.
Er liebt seine Schwester, was auf Gegenseitigkeit beruht. Mitunter ist es rührend zu lesen, wie beide mit der Situation umgehen, dass keine Nahrungsmittel im Hause sind und die Mutter tagelang nicht nach Hause kommt.
Eine ungewollte Schwangerschaft der Schwester kommt und geht mit einer privat durchgeführten Abtreibung wieder vorbei. So einfach ist das.
Der Alltag Mungos und seiner Schwester ist wirklich deprimierend und macht mich als Leser traurig. Am liebsten würde man in das Buch einsteigen und beiden helfen.
Handlungsstrang 2
Die Geschichte von Mungo und James. Beide verlieben sich ineinander und Mungo sammelt mit James – der 2 Jahre älter ist – seine ersten intimen Erfahrungen. Die Szenen zwischen Mungo und James werden von Stuart überaus eindrucksvoll und realistisch geschildert. Das ist wahrlich große Literatur, die es vermag, als Leser Gefühle nachvollziehen und spüren zu können, die man im realen Leben nie hatte und wahrscheinlich auch nie haben wird.
Als sich Mungo zwischen James und seinem Bruder entscheiden muss, trifft Mungo die falsche Wahl und zieht mit der Gang seines Bruders in die Schlacht gegen die Katholiken.
Es kommt zu sehr unschönen Gewaltszenen zwischen Mungos älterem Bruder und James. Das ist wirklich nicht einfach zu lesen.
Zum Glück hat das Buch ein versöhnliches Ende, wenn man es als Leser so annehmen will.
Handlungsstrang 3
Obwohl dieser Handlungsstrang chronologisch gesehen erst 3 Tage vor Ende des Buches beginnt, baut Stuart Teile von Beginn des Buches an ein und steigert die Spannung hierdurch immens. Dem Leser wird sehr schnell klar, dass es in diesem Handlungsstrang zu einer Katastrophe kommen wird.
Nachdem Mungos Familie von seinen Neigungen erfahren hat, vertraut Mungos Mutter ihren Sohn zwei fremden Männern an. Diese hat sie auf einem Treffen der AA kennengelernt, ohne sie zu kennen. Als sie sich über Mungo und seine Neigungen bei der Gruppe beschwert, bieten die beiden an, mit Mungo ein Wochenende lang zu zelten und einen Mann aus ihm zu machen. Natürlich
absolut verantwortungslos. Aber im Kontext des Romans absolut nachvollziehbar.
Die beiden Männer sind verurteilte Kinderschänder. Als dies klar wird, beschleicht den Leser eine Angst davor, was auf den nächsten Buchseiten passieren wird. Als einer der Männer seine eigene Mutter anruft und von seinem ‚Zelt-Ausflug‘ berichtet, fragt die Mutter besorgt, ob da auch irgendwelche Kinder seien. Bei dieser Stelle läuft es dem Leser kalt den Rücken herunter. Ich habe richtig Angst um Mungo bekommen.
Ergebnis des Wochenendtrips sind sexuelle Übergriffe bzw. Vergewaltigungen durch die beiden Männer, ein versuchter Mord an Mungo und am Ende zwei tote Männer.
Unglaublich, was Stuart seinen Lesenden zumutet. Das Buch ist extremer als es Shuggie Bain war und hat mich stellenweise in seiner Härte, Brutalität und deren realistischen Darstellungen an ‚Ein wenig Leben‘ erinnert, obwohl dieser Roman weiterhin unerreicht ist.
Ein sehr starkes Buch, wenn man die Brutalität und die grauenhaften Umstände, in denen gelebt wird, verkraften kann. Dann aber ist das Buch eine gelungene Sozialstudie, die man nicht besser von einem Sozialhistoriker erwarten kann.