Dystopie der fehlenden Frauen

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mirjam_koko Avatar

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" 'Selbstmitleid ist bei Männern eine unattraktive Eigenschaft.', hörte er seine Großmutter sagen.
Und bei Frauen?
'Auch unattraktiv, aber verständlich' sagte Großmutter daraufhin. 'Eine Frau hat viel mehr Gründe, sich zu bemitleiden.'
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'Zum Paradies' von Hanya Yanagihara, übersetzt von Stephan Kleiner.
Es gibt so viele Gedanken, die ich zu diesem Buch habe, dass es mir schwerfällt sie zu sortieren. Aber da es sehr gut beworben ist, nehme ich an alle wissen so ca. was der Klappentext verspricht. Daher werde ich das auch nicht so stark wiedergeben.
Wer meine Rezensionen schon länger verfolgt, kennt vllt meine Meinung zu Yanagiharas Roman 'A Little Life'. Kurz gesagt: ich liebte ihn! Das war bei diesem Buch leider nicht der Fall. Die Gründe sind komplex, so wie es auch dieses Buch ist.
Inhaltlich fand ich den ersten Teil ganz gut, den zweiten Teil extrem langwierig und langweilig und den dritten Teil sehr spannend, jedoch höchst überfordernd. Der Zusammenhang zwischen den verschiednen Teilen war zwar irgendwie gegeben, aber irgendwie auch unnötig. Abgesehen von der Entwicklung der Freiheiten für Homosexuelle, dieser Aspekt sticht für mich doch heraus, da in allen 3 Teilen in den verschiedenen Jahrhunderten, die Protagonisten Homosexuell waren. Wobei ich hier auch schon meine erste Kritik äußern muss, denn es handelt sich ausschließlich um Männer. Und es erschließt sich mir nicht, warum die Autorin sich dazu entschied ausschließlich Männer als Handlungsträger fungieren zu lassen, gehören doch auch Lesbinnen zur Gruppe der Homosexualität. Aber anstatt diese selten portraitierte Gruppe aus dem Schatten zu holen, wird sie wieder einmal ausgeblendet. Und das ohne ersichtlichen Grund.
Generell kommen nur sehr wenige Frauen in dem Roman vor und diejenigen, die vorkommen sind sehr passiv und beschützenswert oder schlechte Mütter/Großmütter. Die einzig wirklich gute Frauenrolle ist die der Eden aus Buch 2!
Wenn wir schon bei Buch 2 sind: Ich fand die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität sehr spannend. Was ist ein wahrer Hawaiianer? Was macht ihn aus? Kann ein Hawaiianer Dinge gut finden, die aus den USA auf die Insel gekommen sind? Darüber lassen sich bestimmt einige Diskussionen führen. Aber ihr seht schon, auch hier geht es hauptsächlich um Typen. Auch der Aspekt der kulturellen Aneignung war super spannend, der in Buch 3 aufgegriffen wird.
Und jetzt zu Buch 3: Es war ein ganz ganz schlechter Zeitpunkt dieses Buch jetzt zu lesen, in Zeiten einer Pandemie. Ich vertrage Dystopien generell sehr schlecht, aber diese hat mich in ein Loch gestürzt und ich bin wirklich sehr froh, dass es vorbei ist. Der Teil war für mich sehr spannend und wirft viele gute Punkte auf, spinnt Zukunftsmöglichkeiten weiter, geht auf mögliche zukünftige Entwicklungen ein, wie die Eingrenzung der persönlichen Freiheit, die Klimakatastrophe, Lebensmittelknappheit, die Schließung staatlicher Grenzen etc. Dennoch war es einfach sehr deprimierend und stimmte mich tatsächlich hoffnungslos.
Ein weiterer Kritikpunkt, der mir noch sehr am Herzen liegt ist der, dass in dem Roman immer wiedee Fettfeindlichkeit zu spüren ist und vorkommt. Das verurteile ich sehr und kann man meiner Meinung nach auch nicht schönreden. Das muss einfach nicht sein!
My senf over and out.