Eindrucksvoller Debütroman!

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„Zusammenkunft“ (im Original: „Assembly“, übersetzt von Jackie Thomae) ist der Debütroman von Natasha Brown, der in Großbritannien bereits groß gefeiert wurde. Ich habe schon nach den ersten Seiten gemerkt, dass sie eine unglaublich talentierte Autorin ist. Sie schafft es mit ihren kurzen und prägnanten Absätzen auf gerade mal 114 Seiten zu elektrisieren.

Die bis zum Ende namenlose schwarze Protagonistin versucht ihr ganzes Leben lang bestimmte Standards und Ziele zu erreichen und ständig Erwartungen zu übertreffen. Mittlerweile ist sie in der Londoner Finanzindustrie in einer Bank angestellt und angekommen. Ihre Vorfahren stammen aus Jamaika, doch sie ist – genauso wie ihre Eltern – in England geboren. Und trotzdem wird sie „nie von hier sein“. Zudem wird aufgezeigt, wie sich die Folgen des britischen Kolonialismus bis heute auswirken und auch Generationen später noch tief verwurzelt sind. Die Protagonistin erfährt im Alltag unzählige Ungerechtigkeiten, sei es bezogen auf rassistische Übergriffe, soziale Hierarchie, Unsichtbarkeit in einer Gesellschaft mit scheinbar unerreichbaren Idealen. Besonders schlimm fand ich, dass einige ihrer Kollegen neidisch auf die Beförderung (gemeinsame Leitung) reagiert haben und den Erfolg lediglich darauf zurückführten, dass die geforderte Diversität durch die Unternehmensleitung sichtbar gemacht werden musste. Ihr ganzes Leben ist von einem Antrieb zu harter Arbeit und ständigem Durchhalten und Anpassen geprägt – aber auch von immer präsenten Versagensängsten. Scheinbar ist es nie genug und sie wird ihr ganzes Leben lang von gesellschaftlichen Zwängen fremdbestimmt. So ist es nicht verwunderlich, dass sie sich nach einer Krebsdiagnose dazu entschließt, einfach nichts zu tun (und damit endlich eine eigene Entscheidung zu treffen). Auch in Bezug auf ihre aktuelle Beziehung wirken die familiären Stränge und Wurzeln stärker auf sie ein, als sie möchte. Sie distanziert sich auf einer Gartenparty nicht nur räumlich von ihrem Freund und dessen Familie, welche unter anderem durch „altes Geld“ des Empires ihren Reichtum aufbauen konnten.

Natasha Browns Schreibstil ist experimentell, verdichtet und ziemlich ungewöhnlich. Dieser Roman hat mich als Leserin unglaublich getroffen, aufgewühlt und zum Nachdenken angeregt. Obwohl ich das Buch schon vor über einer Woche beendet habe, beschäftigt es mich weiterhin. Die Autorin schafft es, viele kritische Aspekte und starke Gedanken auf wenige Seiten zu packen, so dass es einen mit voller Wucht trifft.

Fazit: Natasha Brown hat ein starkes, mutiges und radikales Debut geschaffen, in dem sie auf subtile Weise die heutige Gesellschaft kritisiert. Das Buch enthält viele schmerzliche Themen und zugleich starke Aussagen. Es geht um so viel mehr als Rassismus, Klassengesellschaft, Herkunft und Karriere. Auch wenn am Ende viele Fragen offen bleiben, gibt es von mir eine große Leseempfehlung für diesen beeindruckenden Debütroman!