Wie eine Familie

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„Zwischen heute und morgen“ ist der zweite Teil von Carmen Korns Drei-Städte-Saga. Und zwischen heute und morgen“ passiert viel in Hamburg, Köln und San Remo, wo die Familien wohnen, um die es geht und die durch verschiedenste Bande miteinander verknüpft sind. Da sind die älteren Generationen von Kurt und Elisabeth, Gerda und Heinrich und Margarethe mit Bruno, die sich fragen, was das Leben noch für sie bereit halten mag. Während der eine das Gefühl hat, da müsse es doch noch mehr im Leben geben, wie Kurt, wünscht sich der andere etwas Ruhe und Schonung von allzu vielen Schicksalsschlägen, wie zum Beispiel Bruno, der große Verluste zu verzeichnen hat. Da sind die nachfolgenden Generationen von Ursula und Joachim, Nina und Vinton, Ulli und Carla sowie Gianni und Corinne, die sich in ihrem Leben eingerichtet haben und sich doch immer wieder selbst in ihren Beziehungen und Rollen in Frage stellen. Und da sind die vielen Einsamen und Verlassenen, die Aufnahme finden, in den Schoß dieser übergroßen Familie, wie z. B. Pips, der noch immer damit kämpft, sein Trauma der Verfolgung durch die Gestapo zu verwinden, oder Billa und Lucy, Heinrichs Schwestern und übriggeblieben aus der Generation, denen der Krieg die Zukunft raubte, oder Jules, den die Frau verlässt für eine Hippiekommune auf Korsika und der zum Retter der Familie Margarethe und Bruno Canna avanciert. Wahrlich es passiert viel, viel Menschlich- und Zwischenmenschliches, die großen und die kleinen Schicksalsschläge, Alltag und Ausnahmezustand. Die Weltgeschichte der 60er Jahre – Adenauer, APO, Armstrong auf dem Mond … - und die jeweiligen Lebensarten im nördlichen Hamburg, im jecken Köln und im südländischen San Remo bilden lediglich den dezenten Rahmen dafür. Aber mit viel Wissen um Historisches und Kulturelles und Sittengeschichtliches zeichnet die Autorin einen bunten, stimmungsvollen Rahmen für diese ganzen Leben, an denen der Leser so gerne Anteil nimmt. Ich mag den Schreibstil der Autorin, die mit kurzen Sätzen und einfachen Worten so tiefgehende Gefühle inszenieren kann, gerade weil sie keine Gefühlspanoramen ausbreitet, sondern zwischen dem Beschriebenen Platz lässt, dass der Leser selber fühle. Ich habe die kleineren und größeren Alltagsgeschichten sehr gerne, die sie da vor sich hin perlen lässt ohne Pathos und großen dramatischen Spannungsbogen, aber doch mitreißend und vertraut, sodass der Leser sich selbst in den Geschichten wiederfinden kann. Und ich liebe ihre Figuren, natürlich insbesondere die ruhigen, die feinen, die unaufgeregten, die unprätentiösen, doch auch bisweilen angefochtenen, die den Dreh- und Angelpunkt der Familiengeschichten darstellen, wie Gerda und Margarethe und Heinrich, Kurt und Jules. Und wünschte, ich wäre Teil dieser Familie(n) und hätte diese ‚Menschen‘ an meiner Seite, damit ließe sich doch leben, gut leben.
So ist die einzige Trübsal dieses Buches, dass es zu Ende geht und dass es das letzte der Reihe ist. Aber da diese Reihe der Jahrhunderttrilogie folgte, mit der sie viel gemein hat, bleibt zuletzt die Hoffnung, dass die Autorin vielleicht schon über ein ähnliches Projekt sinniert.