Das letzte bisschen Etwas hat mir gefehlt

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annajo Avatar

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Eine Frau, elf Kinder und deren Kindeskinder zwischen 1925 und 1980. Hattie flieht 1925 mit ihrer Mutter und zwei Schwestern aus dem Süden in den Norden der USA, wo das Leben für Schwarze einfacher ist und sie vor keinem weißen in den Rinnstein ausweichen müssen. Doch als Hattie sich mit August einlässt, wirft sie alle Chancen ihres Lebens weg.

In zehn Kapiteln werden Fragmente von Hatties Leben und ihrer Persönlichkeit, vor allem durch die Sicht ihrer Kinder, freigelegt. Dabei wird deutlich, dass Hattie ein sehr schweres Leben hatte und es ihr schwer fiel, ihren Kindern Liebe zu zeigen, da sie vor allem damit beschäftigt war, sie zu ernähren. Durch die verschiedenen Sichtweisen wird deutlich, welche Auswirkungen Hattie auf das Leben ihrer Kinder hatte und wie unglücklich und gescheitert sie selbst ist.

Das Gesamtpaket dieses Romans stimmt eigentlich. Das Buch ist wunderschön aufgemacht, die Sprache ist anspruchsvoll und die Geschichte ist zwar deprimierend, aber trotzdem magisch. Hinten im Buch findet sich eine Übersicht über die Reihenfolge der Kapitel und den entsprechenden Jahren, in denen sie spielen, in Form eines Familienstammbaums. Das war zwischendurch sehr hiflreich. Die Geschichten beleuchten völlig unterschiedliche Lebenswege und -umstände von Personen, die die gleiche Herkunft haben. Einige haben es geschafft, andere sind gnadenlos untergegangen. Allen gemein ist die gleiche Mutter.

Der letzte "Funke", der mir gefehlt hat, war die Integration der einzelnen Geschichten in ein großes Ganzes. Es scheint, dass die vielen Geschwister untereinander keinerlei Bezug oder Kontakt haben. Die gemeinsame Kindheit und gemeinsame Erlebnisse kommen kaum zur Sprache und von Hatties Persönlichkeit sieht der Leser lediglich Splitter. Und auch wenn Hattie mit über 70 Jahren im letzten Kapitel noch einige Einsichten erlangt, ist doch nicht anzunehmen, dass ihre Kinder davon erfahren (haben). Das Buch endet zwar irgendwie versöhnlich, aber trotzdem etwas trostlos.

Insgesamt waren die einzelnen Geschichten interessant und zeichnen ein Sitten- und Familiengemälde des Lebens von Afroamerikanern im Süden und Norden der USA zwischen 1925 und 1980. Das Buch ist durchaus etwas Besonderes. Doch das letzte bisschen Etwas und ein wenig Mehr von Hattie hat mir in diesem Buch gefehlt.