große Erwartungen

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miro76 Avatar

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Zwölf Leben erzählt in zehn Kapiteln die Geschichte von Hattie Shepards Großfamilie. Der Roman beginnt 1925 und die 17-jährige Hattie kämpft vergeblich um das Leben ihrer ersten beiden Kinder: Philadelphia und Jubilee. Die Zwillinge sind noch kein Jahr alt und erliegen einer Lungenentzündung. Hattie und ihr Mann August sollten diesen Verlust nie überwinden.
Beide kämpfen auf ihre Weise mit den Widrigkeiten des Lebens als afroamerikanisches Ehepaar am Rande der Armut.
Das nächste Kind, das uns Mathis vorstellt ist Floyd - ein recht begabter Trompeter, der mit seiner Homosexualität nicht klar kommt und deshalb von einer Frauengeschichte in die nächste schlittert, um doch immer wieder heimlich in den Armen eines Mannes zu landen.
Six ist ein 15jähriger Teenager, der wie ein erwachsener predigt und hinter seinem pseudoreligiösen Eifer seine Minderwertigkeitskomplexe versteckt. Er leidet unter seiner körperlichen Entstellung durch Verbrennungsnarben als Kleinkind, die ihn immer noch schmerzen.
Von Ruthie erfahren wir nicht, wie es ihr als Erwachsene ergeht. Wir lernen sie nur als Baby kennen. Ihr Vater ist Lawrence, ein Spieler, mit dem Hattie eine Affäre hat. Sie versucht mit dem Baby ihre Familie zu verlassen und fährt mit Lawrence quer durch Amerika um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass das Leben an der Seite eines Spielers auch nicht besser sein wird. Noch in derselben Nacht kehrt sie zu August und den Kindern zurück.
Auch Ella, die Letztgeborene, lernen wir nur als Baby kennen. Die finanzielle Situation der Familie hat sich noch verschlechtert und Hattie sieht sich gezwungen Sozialhilfe zu beantragen. Sie bringt Schande über sich und ihre Familie. Ihre kinderlose Schwester Pearl, die im Süden in Wohlstand lebt überredet Hattie ihr das Baby zu überlassen. Schweren Herzens trennen sich Hattie und August von ihrem jüngsten Kind.
Alice und Billups sind zwei Kinder irgendwo in der Mitte. Sie verbindet ein schreckliches Geheimnis. Billups wurde von einem Lehrer missbraucht und Alice wurde währenddessen immer ins Nebenzimmer gesperrt. Alice kompensiert ihre Schuldgefühle in übertriebener Führsorge und kommt nicht damit zurecht, dass Billups selbständig werden möchte.
Franklins Geschichte spielt sich 69 in Vietnam ab, wo er mit der Marine stationiert ist. Er kämpft mit seiner Alkoholsucht und seinen Schuldgefühlen, weil er durch seine Trunk- und Spielsucht das Leben seiner Frau zerstört hat und nicht sicher ist, ob er seine kleine Tochter jemals sehen wird.
Dann gibt es noch Bell, die sich nach einem gescheiterten Leben ganz der Tb hingibt, aufhört ihre Medikamente zu nehmen und sterben möchte. Hattie – nun fast 70 Jahre alt – findet ihre Tochter in ihre Wohnung, bringt sie in ein Krankenhaus und kümmert sich um sie. Aber auch diese beiden Frauen finden nicht mehr richtig zueinander. Sie können einander nicht vergeben.
Von Cassies Leben erfahren wir auch nicht viel. Sie leidet offenbar an einer schweren psychischen Störung und muss gegen ihren Willen in eine Anstalt eingeliefert werden. Sie lässt eine 10jährige Tochter zurück, die bei Hattie und August lebt. Bei Sala gelingt es Hattie endlich so etwas wie Liebe und Zuneigung zu zeigen.
Hatties Familie ist geprägt von Enttäuschung, Wut, verletztem Stolz und Hoffnungslosigkeit. Kaum gibt es ein Zeichen der Liebe oder Freude und deshalb verschieben sich die großen Erwartungen der Great Migration wohl bis zur nächsten Generation. Für Hatties Enkelin endet der Roman mit Hoffnung.
Leider folgt der Roman keiner Zeitlinie. Es ist schwer die Familie zu fassen, da man nicht einmal die Reihenfolge der Geburt der Geschwister einordnen kann. Hatties Geschichte wird auch nur in Bruchstücken über die einzelnen Kinder erzählt. Die einzelnen Kapitel lesen sich fast wie Kurzgeschichten, die nahezu alle Probleme einer Gesellschaft umfassen. Für meinen Geschmack wäre es besser gewesen, etwas weniger große Themen zu behandeln und dafür die einzelnen Charaktere etwas genauer auszuarbeiten. Mir erscheint der Roman noch nicht ganz ausgereift, aber da es sich um ein Debüt handelt, sollte man die Autorin auf alle Fälle im Auge behalten.