Die Wunderpille, die es in sich hat...oder auch nicht

Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern Leerer Stern
chaosbaerchen Avatar

Von

Trinity Silverman ist jung, blond und attraktiv und sie arbeitet im Finanzbereich in einer reinen Männerdomäne: sie hält für ihre Firma MetaForex Vorträge für Profi-Trader, um die firmeneigene Software anzupreisen, ein Optimierungstool zur effizienten Onlineverwaltung eines Forex-Portfolios. Anders als auf den traditionellen Aktienmärkten geht es auf dem Forex stets um Alles oder Nichts und das Tool bewahrt einen vor dem Bankrott.
Trinity ist Perfektionistin und beherrscht ihren Job mehr als gut. Aber sie hat ein Problem: Selbstzweifel sowie schlicht und ergreifend ANGST!

Sie hat schon alles ausprobiert, um gegen ihre Angst und Panikattacken anzugehen, aber alle Ansätze haben sich als nutzlos und wenig hilfreich erwiesen.

Eines Abends, als sie angetrunken in einer Hotelbar sitzt, kommt ein Mann namens Paul Davenport auf sie zu und bietet ihr Pillen an, die eine sehr spezielle Mischung aus Prozac und Ectasy sind. Sie sollen alle Ängste zunichte machen und Empathie und Selbstbewusstsein steigern. Der objektiv aufgrund seiner Körperfülle und Kleidung nicht gerade attraktive Paul sieht in sich selbst den Beweis für die Wirkung seiner Pillen - wie sonst wäre es möglich, dass er eine Frau wie Trinity, die definitiv in einer anderen Liga spielt, einfach so anquatscht.

Trinity ist zunächst nicht überzeugt, aber die erhoffte Wirkung hat eine magische Anziehungskraft auf sie und so probiert sie die einfach Pillen aus. Die Wirkung übertrifft schließlich all ihre Erwartungen, aber sie verschleiert auch ihren Blick für die Realität, ohne dass Trinity es merkt. Sie gerät immer weiter in den Strudel, wird abhängig von dem Respekt, den ihr einzig die Pillen zu verschaffen scheinen. Sogar sich vor ihrem Widersachern zu behaupten und neue Männer aufzureißen ist für die neue Trinity kein Problem mehr und sie landet schließlich mit dem charmanten Italiener Gianmarco im Bett. Alles scheint bis auf kurze Momente des Zweifelns perfekt. Bis irgendwann Traum und Wirklichkeit verschmelzen und sie etwas hinterherläuft, was nicht existiert, und dabei nicht zuletzt sich selbst verliert.

Das gesamte Geschehen wird von Trinitys speziellem Haustier, der winzig kleinen Schnecke Speedy, beobachtet und beschrieben. Allerdings kann eine Schnecke nur schlecht sehen und hören, dafür aber umso besser riechen. Man staunt als Leser nicht schlecht, wenn man sich beim Lesen mit Speedys Weltbild konfrontiert sieht. Allerdings muss die kleine Schnecke ziemlich viel einstecken, denn ihr Frauchen verändert sich durch die Pille nicht nur zum Guten.

Im ersten Band geht es in erster Linie um die positiven Auswirkungen der Pilleneinnahme und es kommt die Putzfrau Christine ins Spiel, mit der sich Trinity anfreundet und der sie sich anvertraut. Christine versucht Trinity zu helfen, wobei sie Trinitys Verblendung hinsichtlich des ominösen Gianmarcos, dessen Existenz fraglich ist, erfolglos zu entschärfen versucht. Trinity verliert immer mehr die Verbindung zur Realität und will nur noch eins: Klarheit um jeden Preis. Sie merkt gar nicht, wie irrationaler Verhalten ist.

Im zweiten Band findet die große Konferenz mit dem Chef ihrer Firma statt und mit den letzten Pillen meistert Trinity alles zu aller großen Zufriedenheit. Nur sie selbst hat plötzlich ganz andere Interessen. Sie will Gianmarco wiederfinden, und das um jeden Preis. Sie analysiert alle seine Spuren bis zur Gänze und landet dabei bei Nietzsche und seiner unglücklichen Liebe zu Lou Andreas-Salomé. Auch die vernachlässigte Speedy wird philosophisch und fabuliert. Am Ende nimmt man Trinity das Ruder aus der Hand.

Ich weiß nicht, was ich von "Angstlos" halten soll. Das Buch hat definitiv Potential und das nicht zu knapp. Auch die Idee mit Speedy als objektiver Instanz finde ich wirklich gelungen. Aber das Potential wird leider nicht ausgeschöpft.
Nach dem ersten Band blieben viele Fragen offen, die mich zum Weiterlesen angetrieben haben. Auch ich wollte endlich Klarheit, was hinter allem steckt und ob Gianmarco existiert. Aber die teilweise Auflösung im zweiten Band fand ich wenig befriedigend. Irgendwie ist der Autor ziemlich abgedriftet in die Biografie von Friedrich Nietzsche. Und Speedys Fabel sowie die Geschichte von Christina über die Sonne auf der Flagge von El Salvador sind mir auch zu beliebig in die Geschichte eingestreut worden. Mir fehlt bis zum Schluss der rote Faden, zumal am Ende des zweiten Bandes doch wieder alles in Frage gestellt wird. Ich mag solche Verwirrspiele nicht so gerne und behalte als Leser gerne die Kontrolle über das Geschehen.

Es gibt wohl demnächst noch einen dritten Band, in dem vielleicht eine Aufklärung kommt, vielleicht wird aber der Bogen noch weiter gespannt und alles noch verwirrender. Ich bin unsicher, ob ich den dritten Band (und etwaige weitere Bände) noch lesen möchte.