Runder, feiner Abschluss der Trilogie!

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Wir sind wieder in Gudbrandsdalen. Seit 2019 nimmt mich dieses Tal mit der Lektüre von Lars Myttings Trilogie gefangen. Der Mann hat den ersten Band dieses Werkes so genial verfasst, dass ich bislang alle von ihm erschienen Bücher verschlungen habe. Es war immer ein Gewinn. Er hat unglaublich praktisches Wissen, bezieht mystische Elemente ein und ist ein feinsinniger Menschenbeobachter. Das alles schätze ich sehr an ihm. Doch nun haben wir den abschließenden Band der Schwesternglocken-Reihe vor uns. Wird er den Erwartungen gerecht?

Wir tauchen in die Handlung ein zu einer Zeit, als die Hexenverfolgung Norwegen erreicht und die beiden Hekne-Schwestern naturgemäß in ihrem Fokus stehen. Durch ihre Webkunst mit Bekanntheit und finanzieller Sicherheit gesegnet, erhalten sie durch ihre Körperlichkeit zu viel Aufmerksamkeit um nicht dem Vogt und dem Bischof aufzufallen. Die letzten Puzzleteile über die beiden berühmten Schwestern finden ihren Platz.
Auch in der neueren Hekne-Generation gibt es wieder eine Astrid. Kai Schweigaard ist ihr sehr zugetan. Der alte Pfarrer von Butangen sieht in ihr eine würdige Erbin der beiden Weberinnen und seiner „alten“ Astrid. Sie wird die Erbin des Teppichs über das Ende der Welt und der Geheimnisse rund um die Schwesternglocken sein. Doch vom Süden her zieht sich eine neue Macht über den Kontinent. Das neue Deutschland hegt großes Interesse an dem volkstümlichen Erbe und will in seinem Germanentum alle Überbleibsel für sich einheimsen. Die Geschehnisse, die schließlich in den Zweiten Weltkrieg münden und die Okkupation Norwegens zur Folge haben, nehmen ihren Lauf.

Mit nicht wenig Wehmut nehme ich Abschied vom Hekne-Hof. Meine Erwartungen an dieses Buch waren daher dementsprechend groß. Das Wichtigste zuerst – Mytting schließt alle Kreise ab. Für mich bleibt nichts offen. Ich muss gestehen, dass mir der britische Zweig der Familie etwas stiefmütterlich gehandhabt vorkam, aber dafür passierte in Butangen mehr als mir lieb war. Gewiss werde ich die Reihe nochmals in kurzer Abfolge lesen, da ich einige Elemente über die Jahre wohl vergessen habe. Ich bin etwas geknickt, weil sich im 20. Jahrhundert in Butangen viel verändert hat. Dem Pfarrer wird nicht mehr so viel Respekt entgegengebracht, die Geschwister Astrids interessieren sich für das Erbe der Ahnen kaum, die Zeiten verändern sich und werden profaner. Die Welt ist erklärbarer, vorhersehbarer. Und mit dem Einzug der Deutschen verändert sich das Verhalten der Dörfler vehement. Der Zusammenhalt wie er am Ende des 19. Jahrhunderts für das Überleben einfach noch notwendig war, verliert sich zunehmend. Aber auch hier ist es Myttings großes Verdienst das Zeitgefühl und die Veränderung wahrzunehmen und hervorragend zu beschreiben. Der Aberglaube aus dem ersten Teil und der Arbeitswille und Forschrittsglaube des zweiten Bandes verwandeln sich in die Frage, inwieweit sich die alte Welt der Höfe noch in die neue Welt fügen kann und sollte.
Es gibt Plotdetails, Twists und Auflösungen mit denen ich nicht ganz zufrieden bin und die ich mir vielleicht anders gewünscht habe. Gerade für Astrid – der Enkeltochter der Astrid aus dem ersten Teil – hätte ich mir wesentlich mehr erhofft. Aber es ist Mytting hoch anzurechnen, dass er alle losen Fäden verknüpft und einen Einblick in ein sehr düsteres Kapitel der norwegischen Geschichte gibt. Historisch gesehen, hab ich unglaublich viel dazu gelernt! Ich spreche eine klare Empfehlung aus für Fans von historischen Romanen, Norwegen-Liebhaber_innen und allen, die es noch werden wollen.

So kann ich Mytting wieder nur loben. Ich glaube, mehr als alles andere mag ich das Subtile, das er so toll beherrscht. Er braucht keinen Holzhammer um seine Charaktere zu zeichnen. Er lässt Dinge einfließen, nebenher, die das große Ganze unheimlich bereichern und wertvoll machen. Was immer er nach der Trilogie nun in Angriff nimmt, ich warte darauf.