Die Schande seiner Tat

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theresia626 Avatar

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Tristan Sadler hat den 1. Weltkrieg mit all seinen Schrecken und Schreckensbildern überlebt. Jetzt, fast ein Jahr nach Kriegsende, fährt er nach Norwich, um die Schwester seines toten Kameraden und Freundes Will, Marian Bancroft, zu besuchen. In seinem Gepäck ist ein Bündel Briefe, die Will von seiner Schwester erhalten hatte und die er ihr zurückgeben möchte. Als er nach Norwich kommt, ist sein Zimmer in der Pension noch nicht bezugsfertig. Es hatte eine ungeheuerliche Situation gegeben, ein Gast war mit einem männlichen Begleiter auf sein Zimmer gegangen und dann kam es nachfolgend zu einer Auseinandersetzung. Für die Inhaberin der Pension eine Schande. Doch Tristan ist das egal, er bezieht das Zimmer und denkt darüber nach, warum er eigentlich nach Norwich gefahren ist. „Falls ich Erlösung suchte: Die würde es hier nicht geben. Verständnis? Das konnte hier niemand haben. Und Vergebung verdiente ich nicht.“ S. 39 Er trifft sich tags darauf mit Marian und diese ist über ein Treffen mit Tristan erstaunt und anfangs leicht verwirrt. Sie hätte niemals damit gerechnet, von ihm noch etwas zu hören.

Der Roman ist in mehrere größere Kapitel aufgeteilt, in denen Tristan zum einen seine Erinnerungen an die gemeinsame Zeit mit Will von April 1916 bis Oktober 1916 schildert, zum anderen spielt er in der Gegenwart in Norwich 1919 und endet mit einem Epilog. Tristan berichtet von der Zeit des Kennenlernens in Aldershot, als er und Will gemeinsam zur Grundausbildung waren, wie Tristan wollte, daß Will sein Freund wird und auch bleibt, von den ganzen Schindereien und Demütigungen, die sie über sich ergehen lassen mußten. Marian hingegen erzählt von dem innigen Verhältnis zu ihrem jüngeren Bruder, ihren Eltern und auch, was Will seiner Schwester so schrieb. Will verändert der Krieg von Tag zu Tag, anfangs meint er noch „Ich habe nichts dagegen, Soldat zu sein“ S. 77, doch später, nach zwei für ihn einschneidenden Erlebnissen, werden seine Zweifel immer größer. Die Situation in den Schützengräben in Frankreich, dem täglichen Überlebenskampf, der Angst, den Morgen nicht mehr zu erleben, das sieht der Leser aus Tristans Blickwinkel und auch Will Bancroft, der eigentlich nur in den Krieg zog, weil sein Großvater in Transvaal (Burenkrieg) gekämpft hatte und ein Held war, lernt der Leser kennen und begleitet ihn bis zu seiner letzten Stunde. John Boyne geht bei seinen Schilderungen der Kriegsschauplätze nicht allzu sehr in die Tiefe, beschreibt wie Tristan das Ungeziefer quälte, anfänglich angewidert, später bezeichnet er sich als „großzügigen Gastgeber“ und kommt zu dem Schluß „Wir vegetieren hier wie lebende Tote…“ S. 175

Bei einem Besuch bei Wills Eltern erfährt er, wie schwer diese an der Bürde zu tragen haben und sogar Fotos ihres toten Sohnes in Uniform in Schubladen verstecken. Vermutlich werden sie mit dem, was geschehen ist, niemals fertig. Der Roman arbeitet sich von Seite zu Seite an das Geheimnis heran, das Tristan nach Norwich trieb und auf Marians Drängen hin („Ich glaube nicht, dass ich weitermachen kann, wenn ich es nicht erfahre.“ S. 270) erzählt er ihr die ganze, erschütternde Wahrheit.

John Boyne schreibt  in seinem Roman „Das späte Geständnis des Tristan Sadler“  über eine Tabubeziehung (worauf er den Leser mit den Geschehnissen in der Pension zu Beginn des Romans schon einstimmt), Kriegsverweigerung und die Verbitterung eines jungen Mannes, ob es nun ein Segen oder ein Fluch ist, verschont geblieben zu sein. Ausführlicher oder besser gesagt mehr ins Detail möchte ich nicht gehen. Jeder interessierte Leser sollte den Roman für sich entdecken. Ich habe ihn gerne gelesen und kann ihn auch jugendlichen Lesern empfehlen.