Chirurgen als Schlächter

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rosenfreund Avatar

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Im Cover finden wir blutrote Lettern auf schwarzem Hintergrund sowie frühere Operationsinstrumente. Es passt perfekt zur Thematik. Bei der Lektüre stehen einem "die Haare zu Berge", bedingt durch die brutale, sehr realitätsnahe Ausdrucksweise, gewürzt durch medizinische Fachbegriffe.
Im Prolog werden die Zustände der Chirurgie um 1840 in England und in anderen europäischen Ländern beschrieben. Bis 1815 hatten nur Mediziner eine universitäre Ausbildung, Chirurgen waren quasi praxisnahe Schlächter. Da man früher nichts über Hygiene und Desinfizierung wusste, starben viele Menschen an postoperativen Infektionen.
Sehr makaber wirken auf uns heutzutage die dicht gedrängten Zuschauermengen bei Operationen und die unmenschlichen Schmerzen der Patienten, denn es gab keine wirksamen Betäubungsmittel.Das änderte sich nach Einführung der Äther- und später Chloroformnarkose,die von Joseph Lister vorangetrieben wurde. Zwar wurden den Patienten die schrecklichen Schmerzen erspart, jedoch griff die Sepsis in den Krankenhäusern immer mehr um sich, da sich die Chirugen an immer längere und kompliziertere Eingriffe wagten.
Es gelingt der Autorin, uns Listers Leben und sein Werk auf fesselnde Weise näherzubringen. Für ihn steht immer der Mensch im Mittelpunkt, dessen Leid er lindern will. Er will sich einfach nicht mit dem Sepsis-Tod vieler Patienten abfinden. Nach vielen Experimenten und ausgedehnter Forschung bringen ihn die Erkenntnisse von Louis Pasteur ( 1822-1895) auf eine neue Spur. Listers großes Lebenswerk ist die Begründung der antiseptischen Medizin. Mit dem Wissen über Keime wuchs in der Bevölkerung auch das Bedürfnis nach Sauberkeit, und der Markt wurde von karbolsäurehaltigen Reinigungsmitteln und Hygieneartikeln überschwemmt. Allerdings wurde Karbolsäure oft zu bedenkenlos gegen alles Mögliche eingesetzt. Darüber erfahren wir mehr im Epilog, der einen Ausblick auf die Zeit nach Listers Tod bietet. Auch heute noch gibt es das desinfizierende Mundwasser „Listerine“ , nach Lister benannt, das auf seine Erkenntnisse und Lehre zurückgeht.
Wir finden hier ein hochinteressantes Werk zur Medizingeschichte des 19. Jahrhunderts, welches gut recherchiert und fesselnd dargeboten wird.