Süffig

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Was macht ein gutes Buch aus? Jeder hat da so seine, jede so ihre Kriterien. Eines sind gute Figuren, ein anderes eine interessante Geschichte, ein weiteres Spannung, die dazu führt, dass man es nicht weg legen will. Ein gutes Buch kann wie ein guter Wein sein, süffig, so dass man es genießt und sich dran hält .

Aber kann man so etwas auch von einem Buch sagen? Von einem Kriminalroman/Thriller? Ob man kann und ob diese Gedankengänge etwas mit dem Knochenbrecher von Chris Carter zu tun haben, dazu gibt es nun nach und nach mehr.

 

 

Inhaltsverzeichnis:

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1. Der Autor: Chris Carter

2. Ort und Zeit der Handlung

3. Die Hauptfiguren:

\*\*\*a) Robert Hunter

\*\*\*b) Whitney Mayers

4. Die Geschichte

5. Themen

\*\*\*a) Was heißt hier Liebe

\*\*\*b) Erwartungen

6. Erzählweise

7. Zielgruppe

8. Daten zum Buch

9. Pro & Contra

10. Fazit

 

 

1. Der Autor: Chris Carter

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Auf dem Foto im „Knochenbrecher“ sieht man einen langhaarig-dunkelhaarigen Mann. Dunkelhaarig finde ich gut, langhaarig ist nicht so mein Fall. Mein Geschmack – egal. Zur Optik passen dann aber zwei Dinge, die es über Chris Carter zu sagen gibt: Die dunklen Haare haben etwas südländisches, und tatsächlich ist er Brasilianer. Die „Frisuer“ insgesamt hat etwas von Künstler – und tatsächlich ist Carter Musiker, genauer gesagt Gitarist, der schon mit Shania Twain, Björk, Tom Jones oder Ricky Martin auf der Bühne stand. All das machen ihn persönlich schon mal ganz schillernd und interessant – da es beides nicht ganz typische Biografie-Punkte für einen erfolgreichen Krimi-/Thriller-Autor sind.

Eher typisch ist, dass Carter auch selber als Kriminalist, genauer gesagt als forensischer Psychologe (im US-Bundesstaat Michigan) gearbeitet hat.

Inzwischen lebt der 1965 geborene Chris Carter in London und arbeitet dort als „Vollzeitautor“. Der „Knochenbrecher“ ist sein dritter Krimi mit der Hauptfigur Robert Hunter. Zuvor sind „Der Kruzifix-Killer“ und „Der Vollstrecker“ von Carter erschienen.

Übrigens: Wenn man nach Chris Carter Ausschau hält, gibt es eine kleine Verwechslungsgefahr. Denn es existiert ein zweiter Chris Carter, der ebenfalls schriftstellerisch tätig ist, unter anderem als Drehbuchautor für „Die Akte X“.

 

 

2. Ort und Zeit der Handlung

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Hier kann ich es relativ kurz machen: Die Geschichte spielt (die meiste Zeit über) in Los Angeles und in der Gegenwart. Die US-Metropole ist zwar sicher nicht allen Lesern aus persönlicher Erfahrung bekannt. Trotzdem ist sie, ebenso wie die Zeit der Handlung, den Lesern irgendwie vertraut, man kann sich also von diesen Rahmenbedingungen her gut in die Geschichte einfinden.

 

 

3. Die Hauptfiguren

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\*\*\*a) Robert Hunter

Ich hatte es ja schon angedeutet: Robert Hunter ist Serienheld bei Chris Carter – insofern ist er der zentrale Charakter der Geschichte. Ich habe die beiden ersten Romane der Reihe noch nicht gelesen, konnte mich aber recht schnell mit der Figur anfreunden. Ein wichtiger Punkt ist für mich dabei, dass Hunter ein Charakter mit Brüchen ist. Einerseits ist er ein Überflieger, hat zwei Klassen auf der Highschool übersprungen, rasend schnell seinen Abschluss als Kriminalpsychologe und den dazugehörigen Doktortitel gemacht. Er ist also ein Überfliege oder – wenn man es etwas negativ sagen will – ein Streber ... Doch er musste auch den frühen Tod der Mutter verkraften, ist eher ein Einzelgänger, der sich durchboxen musste – und zugleich aber auch ein Teamarbeiter mit seinem Kollegen Garcia.

Eine kleine Kritik habe ich aber – am Namen des Ermittlers. Ihn finde ich ehrlich gesagt platt: Hunter heißt Jäger. Ein Kriminalbeamter im Morddezernat (für das Hunter in LA arbeitet) „jagt“ Mörder. Der Name ist da etwas zu nahe liegend. Und er ist auch schon vergeben. Denn Fans von Krimis und Thrillern sind sicher auch über Simon Beckett gestolpert. Auch er hat einen Protagonisten namens Hunter, David Hunter, den es schon länger gibt als Robert Hunter. Hier wundere ich mich, dass Carter nicht mehr Phantasie bewiesen hat ...

 

\*\*\*b) Whitney Mayers

Ich tue Whitney Mayers etwas viel Ehre an, indem ich sie als zweite Figur der Geschichte heraus stelle. In der Tat nimmt sie nicht mehr Platz ein als beispielsweise Garica, Hunters Kollege.

Andererseits finde ich auch sie als Figur interessant, aus ähnlichen Gründen wie Robert Hunter selber. Whitney war auch eine Überfliegerin, die rasend schnell Karriere als Ermittlerin gemacht hat. Doch dann kam der tiefe Fall, der Fall eines 10-jährigen Jungen, der vor Whitneys Augen von einem Hausdach stürzte und der Fall seiner Tante und seins Onkels, die vom gleichen Dach fielen. Unklar blieb, ob Whitney ihren Sturz verursacht oder nur in Kauf genommen hatte. Ihre Karriere bei der Polizei war zu Ende, dafür begann eine andere, ebenfalls erfolgreiche, als Kriminalermittlerin.

Whitney und Robert begegnen sich im Laufe des Falls. Man kann nun weiteres erwarten. Ob Chris Carter diese Erwartungen erfüllt, darüber könnte ich jetzt (sogar gerne) weiter schreiben. Da diese Rezension aber auch Leute, die den Roman noch nicht kennen, neugierig machen soll, will ich nicht zu viel verraten.

 

 

4. Die Geschichte

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Die Art und Weise, wie Chris Carter seinen Roman beginnt, ist raffiniert, denn sie ist ungewöhnlich. Eine Leiche wird im Leichenschauhaus untersucht, der Pathologe schildert seine Arbeitsschritte. Der Mund und die Vagina des Opfers sind zugenäht. Und genau dort, in der Vagina, findet der Pathologe einen Gegenstand ...

Robert Hunter wird zum Fundort der Leiche gerufen. Sie lag auf einem Metalltisch. Als er sich das Gebäude näher anschauen will, erhält er einen schockierenden Anruf ... Der Pathologe, ein langjähriger Weggefährte, ist tot, ums Leben gekommen bei einer Explosion. Der Gegenstand, den er im Opfer gefunden hatte, war eine Bombe, die ihn, die Tote und einen Pathologie-Assistenten zerrissen hat.

Für Hunter und seinen Kollegen Garcia ist es schwer, die Tote zu identifieren. Denn ihr Gesicht war durch die Stiche am Mund geschwollen. Trotzdem stoßen sie auf Laura Mitchell, eine Künstlerin.

Kurz darauf wird eine zweite Tote gefunden, wie Laura war auch sie eine Malerin – und sie sah Laura sehr ähnlich, war dunkelhaarig, hatte dunkle Augen, war um die 30, schlank. Auch sie wurde durch einen Gegenstand in ihrem Körper getötet, ein Messer, dass in ihr aufsprang, als sie zu fliehen versuchte. Auch die zweite Tote war an Mund und Vagina zugenäht. Beide Frauen schienen nicht missbraucht worden zu sein. Liebte der Täter seine Opfer? War es ein Freund oder Ex-Freund, ein Verehrer?

Hunter stößt auf einen James Smith, der bei einer Finissage Telefonnummern mit Laura ausgetauscht hatte. Als Robert ihn vernehmen will, flieht Smith. In seiner Wohnung finden die Ermittler massenweise Zeitungsartikel über Laura und Bilder von ihr. Ist er der Täter.

Noch eine Künstlerin ist verschwunden, die überaus erfolgreiche Geigerin Katia, Tochter eines Produzenten. Da die Polizei zunächst nicht ermitteln will, wendet sich ihr Vater, ein Produzent, an Whitney Mayers. In der Wohnung der zweiten Toten trifft sie auf Hunter. Beide liefern sich zunächst einen Kampf, tauschen aber schließlich Informationen aus ... Die Hoffnung der beiden ist, dass sie Katia lebend finden. Doch dann gibt es eine dritte Tote ... Und auch sie ähnelte den beiden anderen Frauen.

 

 

5. Themen

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\*\*\*a) Was heißt hier Liebe

 Nein, keine Sorge, ich schreibe hier nicht über eine Liebesgeschichte. Es geht vielmehr um die Motivsuche. Wieso bringt ein Mann mehrere sich ähnelnde Frauen um? Erinnern sie ihn an eine große Liebe? Wieso tötet er sie dann? Wieso tötet er sie, ohne sie offenbar zu missbrauchen oder vor ihrem Tod anderweitig zu verletzen? Und was haben die Einstellungen der Frauen zum Thema Liebe mit den Taten un der Art, wie sie sterben mussten, zusammen? Diese Fragen sind Teil dessen, was den Roman spannend macht.

 

\*\*\*b) Erwartungen

Autor Chris Carter spielt – bewusst oder unbewusst – mit den Erwartungen des Lesers. Das geschieht auf verschiedenen Ebenen. Die eine ist die der Erzählweise – auf die ich gleich noch näher eingehen werde.

Die andere ist die der Figuren. Als „erfahrene Krimileserin“ kenne ich inzwischen einige Muster zum Beispiel darüber, wie sich die Beziehungen der Figuren untereinander entwickeln. Gerade an die Konstellation Hunter und Mayers hatte ich so meine Erwartungen. Ob sie sich erfüllen und ob das gut oder schlecht ist, sei hier aus den genannten Gründen nicht verraten.

 

 

6. Erzählweise

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Normalerweise mag ich es am liebsten, wenn man in der Erzählung dicht an ein oder zwei Hauptfiguren dran bleibt. Wer nur meine Kritik bis zu diesem Punkt gelesen hat und den Roman selber nicht kennt, wird vielleicht denken, dass das hier der Fall ist. Doch das trifft nicht ganz zu. Chris Carter wechselt zwischen verschiedenen Charakteren hin und her. Dazu gehören Robert und Whitney, dazu gehören aber auch die Opfer, dazu gehören einige Charaktere, die nur kurz mit von der Partie sind wie anfangs der Pathologe. Da die Kapitel aber recht kurz sind, die Geschichte dadurch Tempo hat und der Anteil der Passagen, in denen Robert Hunter im Mittelpunkt steht, hoch ist, hat die Geschichte trotzdem Tempo und ist – so viel sei dann hier verraten – süffig.

 

 

7. Zielgruppe

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Grundsätzlich ist „Knochenbrecher“ ein Roman für alle, die Krimis bzw. Thriller mögen. Ich würde hier keine altersmäßigen Einschränkungen treffen. Anders als teilweise Karin Slaughter oder Tess Gerritsen ist der Roman auch trotz der Brutalität der Morde nicht zu blutrünstig. Warum? Nun, Slaughter und Gerritsen beschreiben das Leiden der Opfer bzw. die Autopsien oft detailliert. Das macht Carter nicht. Es ist zwar mehr als unangenehm zu lesen und darüber nachzudenken, wie die Frauen ums Leben kamen, da man aber im Moment des Todes nicht bei den Frauen ist und somit nicht in Zeitlupe ihr Leiden miterlebt. Wird die Sache nicht zu heftig.

 

 

8. Daten zum Buch

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Der Knochenbrecher [Taschenbuch]

Chris Carter (Autor), Sybille Uplegger (Übersetzer) – Originaltitel: The Night Stalker

Taschenbuch: 416 Seiten

Verlag: Ullstein Taschenbuch (11. Mai 2012)

ISBN-10: 3548284213

ISBN-13: 978-3548284217

Preis: 9,99 Euro

 

Ich habe noch mehrere Anmerkungen zu dieser Ausgabe. Zunächst einmal sind mir mehrere Dinge positiv aufgefallen: Ullstein hat den Roman netterweise als richtiges Taschenbuch raus gebracht. Das bietet die Vorzüge, dass man es bequemer mitnehmen kann als eine gebundene Ausgabe oder als die Zwitterversion des großen Taschenbuchs. Und das Taschenbuch ist preisgünstiger. Das nächste Lob gilt der Covergestaltung, einem Detail der Covergestaltung: Auf dem Buch ist ein rotes Seil abgebildet, wenn man das Cover anfasst, fühlt man eine gewisse Struktur dieses Seils und man sieht es zugleich auch plastischer. Das ist ein schönes Detail.

 

Leider habe ich aber auch eine kritische Anmerkung: Der Titel ist irreführend, mir ist nicht klar geworden, was er mit der Geschichte zu tun hat. Denn der Täter ist kein Knochenbrecher. Der Originaltitel trifft es da meiner Meinung nach eher, er ist ein nächtlicher Stalker. Man hätte ihn auch „Der Frauenjäger“ (klingt auch etwas reißerisch) nennen können oder „Nächtliche Jagd“.

 

 

9. Pro & Contra

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Pro:

- Roman mit Sog

- gute Figuren

- ungewöhnliche Wendungen

 

Contra

- schnell zu Ende

- der Titel

 

 

10. Fazit:

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Ich habe schon lange keinen Roman mehr innerhalb eines guten Tages verschlungen. Chris Carter hat mich dazu gebracht. „Der Knochenbrecher“ ist eine Geschichte mit Sog, die an der Handlung einerseits liegt. Als Leserin wollte ich wissen, ob es den Ermittlern um Robert Hunter und die Privatdetektivin Whintey Mayers gelingt, die Geigerin Katia zu retten. Es liegt aber vor allem auch an den beiden Figuren an sich, die trotz ihres kriminalistischen Könnens auch Bruchstellen in ihren Leben haben und somit als Personen realistisch wirken.

Ein weiteres positives Moment ist die Tatsache, dass die Geschichte an mehreren Stellen überraschende Wendungen nimmt und Chris Carter von den üblichen Krimi-Mustern abweicht.

Es gibt allerdings auch Nachteile ... ;-) Der eine ist vielleicht der deutsche Titel der Geschichte, der meiner Meinung nach den Inhalt des Buches nicht trifft. Der zweite ist die Tatsache, dass der Roman zu schnell zu Ende ist ... Doch das war ja zugleich auch ein wesentlicher Vorteil .... ;-)

Alles in allesm gibt es von mir für diesen Roman die volle Sternenzahl und damit natürlich auch eine Leseempfehlung.