Anspruchsvoller Roman, nur stellenweise enttäuschend

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Zwei sich in unserer Welt verlierende oder schon verlorene Männer gesetzteren Alters begegnen uns im Roman „Der Narr und seine Maschine“ von Bestseller-Autor Friedrich Ani, im Oktober bei Suhrkamp erschienen. In seinem 21. Krimi um Tabor Süden schickt Ani seinen Ex-Polizeibeamten, Privatdetektiv und Eigenbrötler Süden auf die Spur des seit Tagen vermissten Cornelius Hallig, einen früher erfolgreichen Kriminalschriftsteller. Beide Männer vereint die innere Einsamkeit inmitten der brodelnden Großstadt München.
Gerade wollte Tabor Süden, der erfahrene Spezialist für Vermisstenfälle, unsere Welt ohne Abschied perspektivlos und ziellos nach seinem 20. Fall mit der Bahn verlassen, da holt ihn die Chefin der Privatdetektei aus der Bahnhofshalle in unsere, in seine Welt zurück. Er soll den seit 30 Jahren in einem Hotel lebenden Cornelius Hallig finden, der wie Süden ebenso grußlos und unerwartet verschwunden ist. Hat sich Hallig das Leben genommen? Oder hat er sich versteckt? Seine wenigen Freunde, die Mitarbeiter des Hotels, sorgen sich um ihn.
An den nun folgenden Tagen begleiten wir die beiden Männer auf ihren Wegen, beobachten wir die Einzelgänger bei ihrem einsamen Tun, folgen ihren wenigen Gesprächen. Tabor Süden versucht, Halligs Spur aufzunehmen, neugierig auf jenen Mann, dem er sich mental verwandt fühlt. Hallig folgt einer vertrauten Spur in seine Vergangenheit, besucht die inzwischen verfallene Wohnung seiner Kindertage. Er scheint sich geistig schon aus der realen Welt entfernt und einer anderen genähert zu haben.
Auf nur 140 Seiten zeigt uns Friedrich Ani zwei vom Leben gezeichnete und gebrochene Männer, vereinsamt, ohne Hoffnung, ohne Ziel, ohne Zukunft. Nur eines vereint beide: Sie wollen, jeder auf seine Weise, der Finsternis ihres Lebens, ja, ihrem bisherigen Leben entfliehen. Mit seinem Cornelius Hallig setzt Autor Friedrich Ani dem von ihm geschätzten Amerikaner Cornell Woolrich (1903-1968; „Das Fenster zum Hof“), bekannt für seine düsteren Kriminalromane, ein literarisches Denkmal. Wie Woolrich lebte auch Cornelius Hallig in Anis Kurzroman die meiste Zeit seines Lebens im Hotelzimmer, die ersten Jahre mit seiner Mutter nebenan. Und wie Woolrich lässt auch Ani seinen Hallig am Schlaganfall sterben, genau 50 Jahre nach Woolrich.
Düster und hoffnungslos wie das wahre Leben Woolrichs und dessen „schwarze“ Krimis ist auch Friedrich Anis Roman „Der Narr und seine Maschine“. Trotz der Kürze des Romans, den man schnell durchlesen könnte, wirkte die durchgängige Düsternis der Geschichte auf mich gelegentlich ermüdend, zumal die Handlung überschaubar ist und es dem Roman an Spannung, an wachsender Dramatik fehlt. Wer Friedrich Anis Bücher kennt, weiß natürlich, dass er kein Autor typischer Krimis ist, weshalb seine „Krimis“ vom Verlag richtigerweise auch nicht als solche herausgegeben werden. Es sind psychologisch ausgezeichnet aufgebaute, mit überaus interessanten, vom Leben tief gezeichneten Charakteren besetzte Romane höchsten Niveaus. Bei Ani muss man eben wissen, worauf man sich einlässt. Ich wusste es. Trotzdem war ich von diesem 21. Tabor-Süden-Roman etwas enttäuscht, zumal ich nach Anis vorangegangenem Roman „Die Ermordung des Glücks“ mehr an Handlung, mehr an Dramatik, mehr an Spannung erwartet hatte. Der 21. war mein erster Roman mit Tabor Süden – und vielleicht auch der letzte: Denn am Schluss entschwindet Süden wieder im Bahnhofsgewirr, diesmal mit Halligs alter Reiseschreibmaschine an der Hand – der Narr und seine Maschine.