Eine Regierungschefin sucht ihre Erinnerung

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adel69 Avatar

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

 durch Vorablesen.de durfte ich folgendes Buch lesen:

 ==Die Eisläuferin==

Autorin: Katharina Münk

Verlag: dtv

 

==Eine Regierungschefin verliert ihr Gedächtnis – oder: die Handlung==

 Die Regierungschefin eines europäischen Landes reist mit ihrem Mann mit der Transsibirischen Eisenbahn durch Russland. Am Bahnhof in Omsk fällt ihr ein Schild auf den Kopf – und von da an leidet ihr Gedächtnis. Die letzten 20 Jahre ihres Lebens sind wie ausgelöscht – und die Erinnerung daran, dass sie Regierungschefin ist und Aufgaben zu erledigen hat, muss ihr jeden Tag aufs neue beigebracht werden.

 Dass ihr die Erinnerung immer wieder abhanden kommt, hat etwas mit dem Hippocampus zu tun – das ist ein Bereich im Gehirn, der für das Gedächtnis zuständig ist.

 Ihr Mann unterstützt die Regierungschefin täglich, ihre Erinnerungen wiederzubekommen. Und ein Therapeut versucht es, mit Erinnerungen die Regierungschefin zu heilen – lief sie denn nicht gerne irgendwann mal auf dem Eis? – und einer Pfirsichkur.

 

==Die Personen ohne Namen erinnern mich an Gesetzestexte – oder: meine Leseerfahrungen==

 Schon die Leseprobe hatte mich angesprochen, und so war ich erfreut, als ich ein Leseexemplar erhielt. Der Schreibstil sprach mich sofort an – schön und flüssig zu lesen, kein Ich-Erzähler, keine zu kleine Schrift, viele Dialoge. Und ich wollte als Leserin wissen: Wird die Regierungschefin es schaffen, ihre Erinnerungsfähigkeit wieder zu bekommen – ohne dass der Regierungschefin jemand jeden Tag erzählen muss, was sie die letzten 20 Jahre getan hat.

 Was mich jedoch beim Lesen sehr störte, war, dass weder die Regierungschefin, noch ihr Mann, noch weitere wichtige Personen einen Namen haben. Da wird meistens von „die Regierungschefin“, „ihr Ehemann“, „eine russische Ärztin“ gesprochen – selten ist es, dass irgendjemand in dem Buch mal einen Namen hat. Mich erinnern solche „namenlosen Bezeichnungen“ an trockene Gesetzestexte, in denen beispielsweise von „der Steuerbegünstigte“ oder „der Versicherungsnehmer“ die Rede ist. Alles wirkt auf mich da sehr unpersönlich – und so muss ich auch sagen, dass ich leider zu den namenlosen Personen in dem Roman „Die Eisläuferin“ kein inniges Leseverhältnis aufbauen konnte.

 Weiterhin hatte ich russisches Ambiente in dem Roman erwartet – aber auch hier werde ich enttäuscht. Ich weilte vor einigen Jahren einige Tage in St. Petersburg in Russland – und ich hätte mich sehr gefreut, wenn ich in dem Roman „Die Eisläuferin“ mehr über Russland, über Begegnungen mit Menschen dort, mehr über Russlandtypisches erfahren hätte. Das ist hier nicht der Fall.

 Zu kritisieren habe ich auch die Spannungsarmut – ich frage mich oft beim Lesen: passiert noch irgendwas Bedeutungsvolles, denn die Handlung plätschert vorwiegend dahin – es gibt keinen Höhepunkt. Die Regierungschefin macht dies, ihr Mann macht das, dann gibt es einige Leute aus der Regierung. Interessanter wird das Buch, als der Therapeut ins Spiel kommt.

 Und der Schluss ist sehr abrupt – irgendwie originell, aber auch in der Art und Weise, als dass man meinen könnte, die Autorin habe ihr Buch plötzlich schnell zu Ende bringen wollen.

 

==Mein Fazit==

 Der Roman „Die Eisläuferin“ ist ein Roman in gutem Schreibstil mit einer guten Grundidee – der allerdings spannender sein könnte.

 Ich vergebe diesem Roman drei Sterne.