Gehen lassen

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Stradals Geschichte beginnt mit Lars' Thorvalds Jugend und seinen Leiden. Er leidet nämlich darunter, dass er mit seinem Bruder Fisch bearbeitet, um ihn zu einer geschätzten Delikatesse zu machen. Schön für den Fisch, nicht aber für Lars, dessen Beliebtheitswerte doch etwas unter seinem strengen Geruch leiden. Allerdings verleitet ihn diese frühe Erfahrung dazu, Koch werden zu wollen. Irgendwann gelingt es ihm dann auch, eine Frau von seinen Qualitäten zu überzeugen und sogar stolzer Vater einer Tochter, nämlich Eva, zu werden. Doch das Glück währt nicht lange und Lars muss seine Frau ziehen lassen. Die Geschichte springt zu der Zeit, als Eva 11 ist: Da sie inzwischen vollständig elternlos ist, wächst sie bei Lars' Bruder und seiner Frau auf – und leidet unter deren Liebe zu Junkfood – denn ganz unkindlich hat sie nur Essen bzw. dessen Zutaten und ihre Zubereitung im Kopf. Dass sie sich für eine 11-Jährige recht eigenwillig benimmt, drückt sich auch in ihrer Bewunderung für ihren drogensüchtigen Cousin aus und darin, dass sie kurzerhand zu ihrer um nichts weniger eigenwilligen Cousine ausbüxt. Erneut springt die Geschichte: Eva geht in die 11. Klasse, ist zum Goth mutiert und denkt immer noch im Wesentlichen ans Kochen. Da trifft es sich gut, dass sich ein Junge aus ihrer Klasse in sie verknallt und zum Essen ausführt, wo sie kurz darauf in der Küche die ersten Schritte in einem Restaurant machen darf. Es dauert nicht lange, um ihre Lehrmeister zu überflügeln und die gefeierte Sous-Chefin eines angesagten Ladens zu werden – mit nur 20 Jahren. Aber was bei Musikern das absolute Gehör ist, ist bei Eva ihr absoluter Geschmackssinn, dem sie alles unterordnet. Und Eva wäre nicht Eva, wenn sie nicht immer weiter an ihrem Essen und ihrem Geschäftsmodell feilte, so dass sie schnell mit ihren Pop-up-Dinners extrem erfolgreich wird. Von denen erfährt irgendwann auch Cindy, ihre leibliche Mutter, die sich kurzentschlossen für ein solches Dinner auf die Warteliste setzen lässt – und etwa 3 Jahre später ist es soweit: Sie hat die Chance, ihrer Tochter zu begegnen ...

Es ist schon erstaunlich: An sich kam amerikanische Literatur bislang nicht an mich ran, aber Stradal hat das mit seinem Buch geschafft. Und dabei geht es letztlich nur um Essen, was sich auch darin ausdrückt, dass Stradal den Kapiteln Namen von Gerichten gibt, die mehr oder minder die Stationen in Evas Leben repräsentieren. Zunächst scheint manches zusammenhangslos, doch es gibt Verbindungen zwischen so vielen so unterschiedlichen Menschen, ihren Interessen und Motiven – und sei es nur, dass sowohl Lars als auch Eva obwohl grundverschieden doch Ähnliches erlebt haben. Auf die Art schafft Stradal einen Kosmos höchst eigenwilliger Charaktere. Was mich jedoch wirklich für das Buch eingenommen hat, war der lakonische Ton, der das Buch ebenso wie eine unaufgeregte Komik durchzieht. Selbst das im ersten Moment seltsam wirkende Ende fügt sich irgendwie.