>>Morgen wieder?<< >>Gleiche Zeit, Piazza Oberdan<<

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elke seifried Avatar

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Wie schon sein Vater Vittorio sich damals mit seine Liebe Eliza stets an diesem Ort getroffen hat, hat sich das auch zwischen Pino und Laura eingebürgert. Aus dem letzten geplanten Treffen wird allerdings nichts mehr und Laura muss mit ansehen, wie Pino von der SS gefangen genommen wird.

Pino sitzt deshalb nun zur Stunde Null am 6. April 1945 unter schrecklichen Bedingungen in einer Zelle und wartet auf den allmorgendlichen quälenden Appel. Mit diesem Szenario begrüßt der Autor hier die Leser in seinem Roman, bevor er sich dann erst einmal 10467 Tage in die Vergangenheit bewegt und davon erzählt wie Vater Vittorio, dank einem halben Pferd und seinem Kameraden Jacopo, den Ersten Weltkrieg nur knapp überlebt. Im weiteren Verlauf springt man dann zwischen diesen beiden Eckdaten, blickt auch noch kurz auf die Zeit davor und erfährt so von einer bewegenden Geschichte, die sich über zwei, eigentlich fast drei Generationen erstreckt, weil auch die Beziehung von Vittorio zu seinem Vater, die ihn sehr belastet, thematisiert wird.

Der Titel handelt von den Liebenden, ganz klar bekommt man deshalb auch zarte Liebesgeschichten geboten, die amüsant, überraschend und an keiner Stelle kitschig präsentiert werden, was mir gut gefallen hat. Kennen und lieben lernen und auch das gemeinsame Zusammenleben wird hier zum Thema und die Gefühle, vor allem die von Vater und Sohn, werden so erlebbar. Mindestens genauso viel Raum nimmt meinem Erachten nach aber auch der politische Hintergrund ein. >>Ja Mussolini das ist der Mann der Stunde, der wird etwas für Italien machen. Du kennst doch Mussolini?<< >>Wer kennt ihn nicht?<< sagte Vittorio. So brutal wie seine Schlägertrupps überall auftraten und so laut, wie er sich selbst das der Messias für Italien anpries, wäre es unmöglich gewesen, ihn nicht zu kennen, selbst wenn man im hintersten Winkel des Karstes in einer Höhle lebte.“, oder auch später ein, >>Hör doch auf mit dem Duce. Es gibt hier nur noch einen Führer, und der hat ein lächerliches Bärtchen, wie dieser Schauspieler. Mussolini agiert in Sálo doch nur noch von Hitlers Gnaden.<< Als Leser darf man die wechselhaften Jahre in Triest miterleben, in denen es zunächst darum geht, sich von den Habsburgern zu befreien, dann kam der Faschismus gemeinsam mit Mussolini und schließlich heißt es für die Einwohner auch noch die deutsche Naziherrschaft zu überstehen. Großvater, Vater und auch Pino haben alle ihre eigene Gesinnung, von der man nach und nach erfährt, die stellenweise auch überrascht.

„Und sie war einer der ersten Frauen, die die Kommune eingestellt hatte, um den modernen Bürobetrieb zu unterstützen. Das Telefon hatte überall Einzug gehalten, ebenso wie weite Teile des Umlands elektrifiziert worden waren. Man telegrafierte häufig und man hatte das Gefühl, die Welt war eine Spur enger zusammengerückt, seit die Kommunikation neue Wege beschritten hatte.“ Nicht nur die politische Dimension der Zeit wird vom Autor erläutert, auch die Entwicklungen in vielen anderen Lebensbereichen hat toll Einzug in diesem Roman gefunden, was mir sehr gut gefallen hat. Zudem mangelt es nicht an Regionalkolorit und so durfte ich mit gelungen durch die Straßen Triests begeben.

Der Autor beschreibt mit vielen Bildern und so hatte ich die einzelnen Szenen und Charaktere stets deutlich vor Augen. Wer kann z.B. einen Arzt, der mit den Worten, „Sein fahles Gesicht sah unter dem strohgelben Bart, der wie ein Rapsfeld im Frühjahr hervorstach, von Kanten und Furchen durchzogen. Meisten schritt er gehetzt durch die den Krankenbetten, schnaufend vor Eile und Tauchwolken verpuffend. In seinem Mundwinkel klebte eine Zigarette, die zu seinem Gesicht zu gehören schien wie eine Nase. Er rauschte auch beim Operieren, und wenn er dabei Aschehäufchen verlor, meinte er nur, Asche sei antiseptisch,…“, beschrieben wird, auch nicht sofort lebendig wie in einem Film vor sich sehen? Es gelingt Christian Klinger zudem gut, beim Leser Emotionen zu erzeugen. Nicht selten war ich gerührt, weil z.B. auch die Liebe zwischen Vater und Sohn zu spüren war, oft geschockt, wenn von schlimmen Misshandlungen z.B. durch die Nazis die Rede ist und auch Spannung konnte ich beim einen oder anderen Bombenalarm und vor allem dann am Ende, als die Frage Hinrichtung oder nicht so dringend eine Antwort möchte, empfinden. Immer wieder durfte ich auch schmunzeln, wofür einige amüsante Szenen sorgen. Da will der Sohn schon mal auch bei heimlichen Treffen mit der Geliebten in die gleichen Fußstapfen treten wie der Vater und scheitert dann aber an einem dummen Zufall. Die feine Prise Humor, die auch in Dialogen wie „Dann muss ich umziehen. Dann wirst du mich einen andern Weg begleiten müssen. Pino fuhr dich verlegen durch sein dunkles Haar. >> Ich werde dich sicher nicht noch einmal begleiten, du … Mädchen, sagte er verwundert über die Art, wie sie über ihn verfügte. Aber sie entgegnete bestimmt: >>Doch. Und ich heiße Laura<<, beispielsweise beim ersten Kennlernen in Kindheitstagen spürbar wird, hat mir beim Lesen immer wieder Vergnügen bereitet. Erwähnen möchte ich zudem noch, dass es dem Autor immer wieder gelungen ist, mich zu überraschen. So scheint Vittorio z.B. zunächst als Schwiegersohn für das Töchterchen Laura nicht der geeignete Mann zu sein, warum Pinos Mutter dann aber doch Laura heißt, will ich hier nicht verraten.
Der Autor springt in seiner Erzählung zwischen den Zeiten, durch konkrete Datumsangaben zu Beginn aller Kapitel wird es einem als Leser allerdings relativ einfach gemacht sich in diese Erzählweise einzufinden. Perspektivwechsel, die sich dadurch gezwungenermaßen ergeben, haben für mich die Geschichte interessant gemacht, weil man die Personen so nach und nach kennenlernt und auch die eine oder andere Erklärung für bestimmtes Verhalten im Nachhinein gereicht bekommt, die überraschen kann.

Mein Favorit unter den drei Männern der Familie Robusti war sicher Vittorio, der mit seinem Mut, innerhalb der ihm möglichen Grenzen dem Unrecht leise den Kampf ansagt. Etwas undurchsichtig ist Pino mit seiner Gesinnung für mich geblieben und auch die Erklärung am Ende hat mehr Fragezeichen aufgeworfen, als Antworten gegeben. Richtig gelungen gezeichnet empfand ich Jacopo, Kameraden, der der immer wieder Vittorios Weg kreuzt. Der Autor hat eine besondere Art der Figurendarstellung, die mir, bis auf die bei Pino zum Schluss, gut gefallen hat.

Alles in allem vor allem für geschichtsinteressierte Leser eine sicher amüsant, unterhaltsame Liebesgeschichte, die mit zahlreichen fiktiven Elementen auf den real existierenden Pino Robusti und sicher auch auf die Bedeutung der Piazza Oberdan aufmerksam machen will und die von mir noch fünf Sterne bekommt, auch wenn ich mit dem Ende nicht ganz so glücklich war.