Katherine und ihre boshafte Freundin Alice

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adel69 Avatar

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

 nachdem ich bei „vorablesen.de“ eine Leseprobe des Buches „Die Wahrheit über Alice“ gelesen hatte, diese spannend und ansprechend fand, musste ich das Buch unbedingt haben (über vorablesen.de bekam ich es nicht) und habe es mir im Herbst 2010 gekauft. Wie ich es fand, kann man im folgenden Bericht nachlesen:

 ==Katherine und ihre Freundin Alice – oder doch eher Feindin Alice? – oder: Die Handlung==

Katherine Patterson wohnt in Sydney bei ihrer Tante und will ihre Vergangenheit hinter sich lassen. Sie war einmal glücklich in Melbourne mit ihren Eltern und ihrer Schwester Rachel. Rachel, die jüngere Schwester, die ein grandioses musikalisches Talent besaß – und vielleicht in der Zukunft eine berühmte Pianistin geworden wäre.

Vielleicht. Wenn sie nicht gestorben wäre. Ermordet.

 Rachels Tod traf Katherine und ihre Eltern hart – und Katherine, die einst Katie Boydell war, nannte sich von da an „Katherine Patterson“ und verließ Melbourne. In Sydney hat sie keine Freunde – und so ist sie froh, als sich Alice um sie kümmert. Alice, eine strahlende charmante Mitschülerin – sie schaut toll aus und es scheint so, als wolle jede mit ihr befreundet sein. Alice kümmert sich um Katherine, die sich geschmeichelt fühlt – und froh ist, endlich eine Freundin zu haben.

 Sogar mit Katherines Eltern versteht sich Alice sehr gut – anfangs jedenfalls. Und so beschließt Katherine, Alice von Rachels Tod zu erzählen. Alice zeigt sich erschüttert…

 Dann lernt Katherine Robbie kennen, Alices Freund. Und sie lernt auch Alices Ex-Freund Ben und dessen jetzige Freundin Philippa kennen – und mit der Zeit erweist sich, dass Alice doch nicht so charmant ist, wie anfangs gedacht. Sie wird immer grausamer, boshafter – und sie versucht, Katherine zu manipulieren… Sie lässt keine Gelegenheit aus, Rachels Ermordung zur Sprache zu bringen – und macht Katherine oft darauf aufmerksam, so dass deren Schuldgefühle an Rachels Tod nur noch wachsen. Katherine ist brüskiert und gekränkt. Andererseits gewinnt Katherine auf einmal wirkliche Freunde – beispielsweise Robbie, Philippa und auch Mick…

 ==Was soll an diesem Buch ein Krimi oder ein Thriller sein? – oder: Meine Leseerfahrung==

Ja, ich habe mir dieses Buch gekauft. Die Leseprobe bei vorablesen.de und auch ein „glühender Artikel“ in einer großen Frauenzeitschrift trugen dazu bei. Sie versprachen spannende Lesestunden.

 ===Der Anfang des Buches ist verheißungsvoll===

Das Buch beginnt interessant. Die Ich-Erzählerin Katherine berichtet, dass Alice gestorben sei – sie, Katherine, aber nicht bei der Beerdigung war. Nicht nur, weil sie zum Zeitpunkt der Beerdigung bereits schwanger war – sondern weil sie Alice hasste.

 Mit diesem Beginn war mein Leseinteresse geweckt. Wie kam es dazu, dass Katherine Alice hasste – und vor allem: wie kam Katherines Schwester Rachel ums Leben? Das waren die beiden zentralen Fragen für mich, wegen derer ich das Buch „Die Wahrheit über Alice“ las.

 ===Ein Krimi oder ein Thriller ist das nicht!===

Nach einer Krimi-Handlung suche ich jedoch vergebens. Auch wenn eine berühmte große deutsche Frauenzeitschrift dieses Buch zu einem der besten Krimis/Thriller im Herbst 2010 gekürt hat. Es gibt zwar einen Mord, aber keinen Kommissar oder Inspektor, der Leute befragt und Spuren untersucht und sonstige Dinge betreibt, die zur Aufklärung des Mordes führen.

 Und das Buch ist kein Thriller – auch wenn Verlag und auch die oben erwähnte Frauenzeitschrift dies meinen.

 Nur in einem Kapitel ist das Buch wirklich so spannend, dass ich atemlos die Seiten umgeblättert habe, um zu sehen, wie es weitergeht. Das ist Kapitel, in dem berichtet wird, wie Rachel ums Leben kam.

 Der Rest des Buches ist oft langatmig und vom Schreibstil her sehr einfach gehalten (es gibt kurze Sätze in Jugendbuchstil – wobei ich sage: viele Jugendbücher sind besser geschrieben als „Die Wahrheit über Alice“ von Rebecca James) – und so wurde ich beim Lesen oft ungeduldig.

 Während Katherine beispielsweise Robbie oder auch Ben und Philippa kennen lernt, passiert seitenlang ziemlich wenig – auch Alice und ihre wachsende Boshaftigkeit kommen oftmals zu kurz. Ich spüre also beim Lesen selten die Anspannung, in der sich wohl Katherine befindet. Und Alice wirkt oft eher harmlos anstatt boshaft.

Für mich passt für dieses Buch am besten die Bezeichung:„Jugendbuch ohne literarischen Anspruch“.  

 ===Drei Zeitperspektiven===

Die Autorin erzählt die Geschichte aus drei Zeitperspektiven – sie springt zwischen diesen Zeitperspektiven hin und her.

Die Leser erfahren, wie sich das Verhältnis zwischen der Ich-Erzählerin Katherine und Alice entwickeln – diese Vorgänge sind im Präsens (der Gegenwart) geschrieben.

Ereignisse, die in der Vergangenheit spielen – beispielsweise die Ereignisse vor Rachels Tod - werden im Imperfekt (erzählerische Vergangenheit) geschrieben.

Und ab und zu gibt es Ereignisse, die nach Alices Tod stattfinden – auch sie stehen im Präsens.

Es war für mich nicht schwer, zwischen diesen eigenen Erzählperspektiven beim Lesen hin- und herzuspringen.

 Die Kapitel des Buches sind relativ kurz – im Durchschnitt zwei bis sechs Seiten lang – und durch viele Dialoge aufgelockert. Auch hier hatte ich beim Lesen keine Probleme, lässt sich doch dadurch das Buch jederzeit unterbrechen – und ich fand mich schnell wieder in die Lektüre ein, wenn ich sie eine Zeitlang nicht gelesen habe.

 ===Meiner Meinung nach ist Alice keine Stalkerin===

Ich finde sowohl Katherine als auch ihre Freunde sympathisch – außer Alice. Bei Alice warte ich beim Lesen immer auf die sprichwörtliche „Explosion eines Pulverfasses“ – also auf eine Katastrophe zwischen Alice und Katherine.

 Meiner Meinung nach kommt in diesem Buch das Thema „Stalking“ nicht zum Ausdruck. Wenn Katherine innerhalb sieben Tagen 14 Nachrichten auf ihrem Handy findet, von denen die meisten wohl von Alice stammen, so ist das für mich noch nicht „Stalking“. Da wäre ja jede Person, die eine andere dringend innerhalb weniger Stunden anrufen will, schon ein Stalker oder eine Stalkerin – und das kann ja nicht sein!

 Es ist nicht so, dass Alice alle zehn Minuten Katherine anruft und vor Katherines Wohnungstüre steht, wenn diese in die Wohnung hineingehen oder diese verlassen will. Das wäre dann Stalking – aber so hat die Autorin die Ereignisse zwischen Katherine und Alice nicht geschildert.

 Alice hat einen übersteigerten Hang, andere Leute mit seelischer Grausamkeit zu quälen. Aus purer Boshaftigkeit und Rachsucht. So versucht sie beispielsweise immer wieder, das Thema „Rachels Ermordung“ ins Gedächtnis von Katherine zu bringen – beispielsweise wenn Katherine und sie mit anderen Personen in gemütlicher Runde zusammen sind. Da muss sie mit boshaft gestellten Fragen an Katherine das Thema aufgreifen.

 Aber auch andere Personen – beispielsweise Robbie – sind vor Alice und ihrer Boshaftigkeit nicht sicher.

 ===Kein „australisches Ambiente“ vorhanden===

Was ich in diesem Buch auch vermisste, war das „typisch australische Ambiente“, das ich schon einige Male in Büchern, die in Australien spielen, genossen habe. „Die Wahrheit über Alice“ jedoch könnte in jedem wohlhabenden Land spielen – beispielsweise auch in Städten, wie München oder Hamburg oder in London oder Paris. Warum machen die Hauptfiguren beispielsweise nicht einmal einen Ausflug zum Manly Beach oder flanieren am Darling Harbour entlang? In einem Buch, das großenteils in Sydney spielt, will ich auch etwas über Sydney lesen!

 Der Schluss des Buches ist für mich nicht vorhersehbar – das finde ich gut. Andererseits wirkt für mich das dramatische Ende fast schon ein bisschen „zu dick“ aufgetragen – zu sehr konstruiert. Ich bin mit der Lektüre also nicht ganz zufrieden – ich habe mir von dem gesamten Buch mehr erwartet und habe mich von der Leseprobe zu sehr blenden lassen.

 ==Mein Fazit==

Die Leseprobe war für mich verheißungsvoll – das gesamte Buch konnte jedoch in Handlung, Glaubwürdigkeit der Ereignisse, Spannung und Schreibstil nicht meine Erwartungen erfüllen.

 Von mir bekommt das Buch drei Sterne und eine Empfehlung für Leserinnen, die sich auf solch eine Geschichte einlassen wollen.

 Diesen Bericht habe ich im November 2010 in einer längeren Version beim Verbraucherportal „Ciao.de“, für das ich unter meinem Nicknamen „Sydneysider47“ regelmäßig Buchrezensionen verfasse, eingestellt.