Ein Roman aus der Sicht des Täters – eine andere Perspektive

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annago Avatar

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Der Bauer Tille Storkema lebt mit seiner Frau Ada und seinen beiden Kindern Suze und Friso auf einem Hof in den Niederlanden nahe der Küste in unmittelbarer Nachbarschaft eines beschaulichen Ortes. Er geht tagtäglich seiner harten Hofarbeit nach und beobachtet fasziniert, wie schnell die beiden Kinder, vor allem seine Tochter heranwachsen. Diese beschauliche Idylle trügt allerdings die Vergewaltigung eines jungen Mädchens, die Bewohner des Ortes erschüttert. Während vor allem Vorurteile den Migranten gegenüber laut werden, kann dreizehn Jahre nach der schrecklichen Tat ein Durchbruch in den Ermittlungen erzielt werden, der das Leben auf dem Hof drastisch verändert.
Der Autor schreibt sehr ausführlich über das Leben am Hof und die Geschehnisse im Örtchen, indem er es aus der Sicht des Protagonisten Tille Storkema schildert. Die Ich-Erzählung bietet eine Einsicht in die Gedanken- und Gefühlswelt der Figur, klammert allerdings über die Wiedergabe wörtlicher Rede – und diese findet sich eher spärlich - alles andere aus. Die Eindrücke sind subjektiv gefärbt und die Schilderungen wechseln zwischen Landschaftsbeschreibungen, Gedanken und Einschätzungen Tilles zu den anderen Familienmitgliedern, aber auch wenigen Gedanken zu den Vorkommnissen rund um die Ermittlungen. Ebenso fließen Rückblenden mit ein, die aber mit fortlaufendem Geschehen immer weniger klar abgegrenzt sind von den Gedanken und Beschreibungen des aktuellen Geschehens, sodass der Leser ab und an den Überblick verliert. Die Figur des Tille Storkema ist zu flach und nicht zu ergründen, zu sachlich-nüchtern in seinen Beschreibungen, entwickelt sich darüber hinaus nicht, zeigt keine Reue und Schuld bzw. kaum selbstreflexive Ansätze, sodass der Roman den Leser auch nachdenklich zurücklässt, weil er es nicht schaffen kann, Nähe zu der Figur, geschweige denn Verständnis oder Empathie für sie zu empfinden.
Für Thriller- und Krimifans nicht zu empfehlen, da das Ergebnis von vornherein bekannt ist; allerdings bietet der Roman einen besonderen Zugang bzw. einen gänzlich andere Perspektive auf die Vergewaltigung und gerade durch die Verwendung dieser distanzierten, scheinbar einfachen, sachlich-nüchternen Erzählweise schafft es der Autor, den Leser fassungslos und nachdenklich zurückzulassen.