Viel Potential für "Hyddenworld - Der Sommer" übrig!

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Zum Autor

William Horwood, geboren 1944 in Oxford, Vater von sechs Kindern, ist britischer Journalist und Autor. Er schreibt bereits seit 1980 und ist in der literarischen Welt kein Unbekannter. Seine „Duncton Chronicles“, insbesondere sein erstes Buch „Der Stein von Duncton“, in dem Maulwürfe die Hauptakteure sind, gelten als Klassiker des Genres „Animal-Fantasy“. „Hyddenworld“ ist allerdings sein erster Ausflug in die Welt der Urban Fantasy. Die Idee dazu bekam er - laut eigener Aussage - während einer Autobahnfahrt.

 

Zum Buch

Die Hobbit-Presse beim Klett-Cotta-Verlag hält die gebundene Ausgabe von „Hyddenworld - Der Frühling“ komplett schlicht. Goldene Lettern nennen Autor, Werk und Verlag auf dem Buchrücken. Die wenigen Graphiken sind eher mäßig gehalten. Gewählte Größe und Schriftzeichen für die einzelnen Kapitel-Überschriften fallen gegenüber der kleinen Romanschrift darum sehr angenehm auf. Leider strotzt das Buch vom Anfang bis zum Ende vor Schreibfehlern. Das ist wahrlich kein gutes „Aushängeschild“ für den Klett-Cotta-Verlag und seine Lektoren und umso bedauernswerter für einen Autor, dessen Arbeit dort verlegt wird!

 

Positiv zu erwähnen sind dagegen aber das eingebundene Lesezeichen und der farbenfrohe Schutzumschlag. Er ist einem altertümlichen Einband mit Verschluss nachempfunden und lässt - wie durch ein angedeutetes Loch im Buchdeckel - einen kurzen „Einblick in die Geschichte“, ihre enthaltenen Abenteuer und Legenden zu. Eine wirklich gute Idee, wobei mich dieses Bild auf den allerersten Blick an Jules Verne’s „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ erinnerte.

 

Zum Inhalt

Die „Hyddenworld“ ist eine Welt Zwergenwüchsiger, die unbemerkt (hidden= engl. versteckt) von der Menschenwelt parallel neben und unter dieser, aber auch _mit_ ihr existiert. Ihre Einwohner, die „Hydden“, leben - wie die Menschen - in vielen Ländern auf dem gesamten Globus verteilt. Natürlich gibt es auch hier nicht nur gute, sondern auch böse Naturen. In „Hyddenworld“ sind es die Sinistral und ihre Armee, die Fyrd. Hydden, die aus einer gelegentlichen Laune der Natur heraus zur Menschengröße heranwachsen, sind aus Angst vor einer Prophezeiung unerwünscht. Mit ihnen machen die Fyrd „kurzen Prozess“.

 

Jack ist so ein „Riesengeborener“. Er wird zu seinem eigenen Schutz als Kind zu den unwissenden Menschen geschickt. Er vergisst schnell, ein Hydden zu sein und wird dennoch als heranwachsender Teenager bald von den Fyrd verfolgt und muss um sein Leben fürchten. Ein Autounfall stellt die Weichen zu seiner Freundschaft mit Katherine Shore, ihrer Mutter Claire und dem Forscherpaar Margaret und Arthur Foale. Im Verlauf der Geschehnisse wird Katherine von den Fyrd nach Hyddenworld entführt, und der verliebte Jack versucht sie mit Hilfe einer Gruppe tapferer, um die Prophezeiung wissender Hydden zu befreien.

 

_Die Prophezeiung_, mit der das Buch auch beginnt, besagt, dass vor sehr langer Zeit der Schmied Beornamund aus Trauer um seine verstorbene Geliebte Imbolc eine besondere Kugel erschuf, die in den Himmel geschleudert „etwas Feuer des Universums und alle Farben der irdischen Jahreszeiten stahl“. Die Götter zerstörten diese Kugel und übrig blieben drei perfekte Edelsteine für drei Jahreszeiten. Nur der Stein des Frühlings muss immer noch gefunden werden. Diese Aufgabe, die die Rettung der Hydden- und Menschenwelt beinhaltet, ist der „Schildmaid“ und ihren Helfern vorbehalten. Bevor dies jedoch geschehen kann, reitet Beornamunds geliebte Imbolc mit dem Edelstein-Anhänger als „Friedensweberin“ auf ihrem Schimmel durch die beiden Welten, immer auf der Suche nach ihrer Frieden bringenden Nachfolgerin, „der Schildmaid“.

 

Auch die Friedensweberin Imbolc unterstützt Jack und seine Hydden-Freunde tatkräftig mit ihren Mitteln. Am Ende von „Hyddenworld - Der Frühling“ wird schließlich der Grundstein für die weitere Fortsetzung der Geschichte gelegt.

 

Mein Leseeindruck

In Erwartung eines äußerst spannenden Fantasyromans, dem ich vorab nach Lektüre der Leseprobe viele Ähnlichkeiten mit Tolkien’s „Hobbit“ oder „Herrn der Ringe“ zugeschrieben hatte, wurde ich während des Lesens dieses Buches diesbezüglich doch überrascht.

 

Ich empfand „Hyddenworld“ als so völlig anders konzipiert.

 

Die Geschichte spielt in unserer Gegenwart, mit zahlreichen _Ausflügen_ in die Phantasiewelt der Hydden. Einer ähnliche Konzeption konnte man bereits vor einigen Jahren bei Holly Black’s „Spiderwicks“ begegnen, wobei William Horwood’s Welten zunächst sehr unabhängig und unbemerkt nebeneinander existieren, bis zum Erscheinen der „Schnittmengen Imbolc und Jack“. Auch das plötzliche Verschwinden von Professor Foale erinnerte sehr an Black’s Kinderbuch.

 

Ich persönlich ziehe das High Fantasy-Genre vor. Nach der Leseprobe hatte ich einen Roman erwartet, der komplett in der Hyddenworld spielt. Er fängt ja auch wirklich stark im Phantasie-Epos an, umso enttäuschter war ich schließlich, als ich beim Lesen ständig zwischen Hydden- und „meiner“ Welt „umhergereicht wurde“. Das wurde mir zwischendurch dann doch zuviel.

 

Die Hydden heben sich durch eine recht altmodische, sehr höflichkeitsbetonte Umgangssprache von der Menschenwelt ab. Der Autor hat hier eine - wie ich fand - wirklich sehr gute Wahl getroffen, in dem er Menschen und Hydden sich nicht nur durch ihre Körpergröße, sondern auch durch ihre sprachliche Ausdrucksweise unterscheiden lässt.

 

Die erfundene „Hyddenworld“ erinnerte mich schon ziemlich zu Beginn des Buches in vielerlei Hinsicht an _unsere_ Menschenwelt und die jüngere deutsche Geschichte:

Die herrschenden Hydden, die Sinistral, und ihre äußerst gewaltbereiten Helfershelfer, die Fyrd, haben „ihr Stammland am Rhein“. Das „Reich“ der Sinistral „expandierte“ und ihre „Besatzungstruppen unterwarfen“ mittlerweile fast die gesamte Hyddenworld. Auf Seite 99 ist anschaulich beschrieben, wie der ehrgeizige polnisch-stämmige Offizier Brunte fünfjährig als einziger seiner Familie das Fyrd-Massaker in Warschau überlebte. Das ist schrecklich, und es las sich für mich wie ein Aufsatz aus der NS-Zeit.

 

Insbesondere in der englischsprachigen Welt lässt sich mit diesem Thema in Literatur und Filmen nach wie vor gut „Kasse“ machen. Traurig, dass William Horwood der Meinung ist, auch Hyddenworld könnte eine Brise davon gebrauchen.

 

Zudem fiel mir auch dieser häufige Widerspruch zwischen maßloser Brutalität und ausführlichen Beschreibungen von zahlreichen Morden und Hinrichtungen und dann wieder der kindlichen, ja fast kindischen, naiven Dialoge und Erlebnisse Jacks, Kathrins und ihrer Hydden-Freunden auf. Mehr als einmal habe ich mich beim Lesen ernsthaft gefragt, für welche Zielgruppe William Horwood hier eigentlich schreiben wollte. Ist dies nun ein Kinderbuch oder ein Fantasy-Roman für Erwachsene? Offensichtlich konnte er sich nicht so richtig entscheiden.

 

Anfangs las sich „Hyddenworld“ für mich tatsächlich in einem rasanten Tempo. Es gab schnelle Handlungen und viele Informationen. Aber plötzlich „plätscherte“ die Erzählung dann nur noch so vor sich hin, „schmalzte hundertfach“ von Zweifeln der Liebenden und aus meiner Lesefreude wurde schließlich Leselangeweile. Die Überraschung am Ende ist nicht wirklich eine und vor allem nach diesem seitenlangen unschlüssigen Getändel völlig unlogisch.

 

Zusammenfassend muss ich sagen, dass „Hyddenworld – Der Frühling“ meine Erwartungen nach einer wirklich guten Leseprobe in jeder Hinsicht enttäuscht hat. Schade! Ich denke, hier ist auf jeden Fall noch viel Potential nach oben drin, so dass die Fortsetzung von William Horwood, „Hyddenworld – Der Sommer“, daher eigentlich nur besser werden kann.