Spiel mit den Klischees

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Seit 2002 die Gesetzesänderung HartzIV verabschiedet wurde, wurde es vor allem für Langzeitarbeitslose schwieriger, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Aus Familien wurden Zweckgemeinschaften und sie wurden gemeinsam im Unterhalt berechnet. Zuschüsse gab es für Miete und außergewöhnliche Anschaffungen. Vor allem wird aber eine gewisse Eigeninitiative vom Empfänger erwartet. Das Abhartzen, also die bewusste Entscheidung für die Arbeitslosigkeit, wird hier als neuer Begriff dargestellt. Über diese Veränderungen lässt sich Robert Naumann in seinem Roman aus. Es klingt wie ein persönlicher Erfahrungsbericht, weil sein Protagonist nicht nur seinen Namen trägt, sondern obendrein denselben Lebenslauf wie der Autor offenbart.

 

Sprachlich nett aufbereitet schildert der phlegmatisch wirkende Naumann seinen Alltag als Langzeitarbeitsloser. Motiviert scheint er nur in der Vermeidung von Jobangeboten zu sein. Alle drei Monate hat er einen Termin bei seiner Ansprechpartnerin in Zimmer 211 bei der Arbeitsagentur. Doch auch die böseste aller Sachbearbeiterinnen versucht vergeblich, Herrn Naumann einen Job zu vermitteln. Stoisch nimmt er selbst Kürzungen der finanziellen Mittel in Kauf. Die Kapitel werden immer wieder durch Erinnerungen an vergangene Zeiten unterbrochen, in denen Naumann seinem misslungenen Versuche mitteilt, einen festen Arbeitsplatz zu bekommen. Dabei lässt er kein Klischee aus und berichtet von Ein-Euro-Jobs als Spargelstecher oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in Kinderprojekten. Aufgelockert werden die kurzen Kapitel durch Zeichnungen, die an Satiremagazine erinnern.

 

Immer wieder stellt man sich bei derartigen Büchern die Frage, was sie aussagen sollen und welche Zielgruppe überhaupt erreicht werden soll. Der Roman soll vermutlich als Satire an unsere heutige Gesellschaft verstanden werden. Die Situationen und Charaktere sind stark überzeichnet und lassen auf der einen Seite schmunzeln, auf der anderen Seite verwundert mit dem Kopf schütteln. Mit sämtlichen Klischees spielend beschreibt Naumann das Leben des Langzeitarbeitslosen und mit welch harten Bedingungen er zu kämpfen hat. Auch diese Hürden wirken in diesem Maße unwirklich und sind zum Teil selbst verschuldet. Die 224 Seiten sind rasch zu lesen. Was zunächst recht schmal aussieht, beinhaltet dennoch alle relevanten Beispiele der Änderungen im Sozialgesetzbuch. Wünschenswert ist es, dass der Autor nicht nur als Ich-AG zum Schriftsteller wurde, damit er beim Scheitern weiterhin sein Arbeitslosengeld beziehen kann. Seine Ansichten wirken bestimmt polarisierend, je nachdem von welcher Warte der Leser sie betrachtet. Diesen Gedanken sollte man vor dem Kauf für sich entschieden haben, damit es keine Enttäuschung wird.