Anregende Einführung in eine wichtige Thematik

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laberlili Avatar

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Angesichts des Klappentextes hatte ich im Vorfeld unterschwellig die Befürchtung, dass die Geschichte in diesem Fall schnulzig enden könnte, nach dem Motto: Kleiner Erfinder rettet die Welt. Aber zum Einen beschränkt sich Samuels Erfindungsreichtum bislang eher auf die Theorie; er geht sehr aufmerksam durch die Welt und überlegt sich, wie man die Probleme, die ihm selbst ins Auge stechen, lösen kann – da ist er der Typ Primarschüler, von dem man fast schon erwartet, dass er in der Mittelstufe regelmäßig ganz weit vorne bei „Jugend forscht“ mitmischt. Zum Anderen ist es wohl auch deswegen nicht so, dass hier plötzlich die Welt gerettet wird und der Klimawandel gar kein Thema mehr ist.
„Land unter bei Samuel“ erzählt vielmehr, wie der Viertklässler Samuel mit seiner Familie von einem Ende Berlins an das andere Ende der Stadt umzieht, was aufgrund der Größe Berlins nahezu einen Umzug ans andere Ende der Welt darstellt – ursächlich für den Umzug ist dabei tatsächlich das andere Ende der Welt: Samuels Vater gehört einer Gruppe Wissenschaftler an, die sich damit beschäftigt, einen Rettungsplan für die (existierende!) Inselgruppe Kiribati zu entwerfen, die (auch das ist Fakt) aufgrund des ansteigenden Meeresspiegels zu versinken droht. Der Umzug der Familie ist in diesem Fall beruflich bedingt – und sowohl Samuel als auch seine Schwester, bei der zudem nun noch die Pubertätswirren einzusetzen scheinen, haben zunächst mit Startschwierigkeiten in der neuen Schule zu kämpfen, während Samuel auch das Problem des Klimawandels nicht aus dem Kopf bekommt und zu überlegen beginnt, was jeder Einzelne dazu beitragen kann, die Umwelt zu schützen. Prinzipiell behandelt dieses Buch damit also sogar zwei Themen: das Einleben in einer völlig neuen Umgebung und den Klimawandel, was in diesem Fall eine besonders clevere Kombination ist, denn die Bewohner von Kiribati sehen voraussichtlich über kurz oder lang ebenfalls einer Umsiedlung entgegen, werden sich also auch an anderer Stelle neu einleben müssen. (Auch eine Überschwemmung der Schultoilette verbildlicht das Kiribati-Dilemma im weiteren Verlauf des Buches nochmals.)

Dem Leser wird generell nur wenig vorgekaut; da ist „Land unter bei Samuel“ eher eine Einladung, sich selbst Gedanken zu machen. Es gibt da einige Projekte, die Samuel und seine Mitschüler letztlich angehen, ein bisschen was, das er auch daheim umsetzen möchte, und allgemein werden viele kleine Punkte (Regionalität, Nachhaltigkeit, Müllvermeidung…) angedeutet, zu denen man sich eben selbst mögliche Optionen und Alternativen überlegen kann. Damit ist dies ein Buch, mit dessen Inhalt man sich tatsächlich aktiv auseinandersetzen kann.

Sehr gut gefallen hat mir auch ein beschriebener Versuchsaufbau, der den Klimawandel bzw. das Schmelzen der Pole veranschaulichen soll; in Sachen „Veranschaulichen“ muss zudem festgehalten werden, dass das Buch weiterhin mit zahlreichen Illustrationen versehen ist, dass man viele der Inhalte tatsächlich direkt vor Augen hat – und besagter Versuch lässt sich auch ganz einfach zuhause nachbauen. Generell finde ich dieses Kinderbuch daher auch sehr gut geeignet, um Kindern, gerne auch ein wenig interaktiver, die Problematik des Klimawandels überhaupt nahezubringen. Da ist es definitiv eher ein Einstiegs- als ein Vertiefungsbuch und ich würde es somit auch eher früher als später mit den Kindern lesen. Vielleicht sogar als eine Art „Erst ich ein Stück, dann du ein Stück“-Buch zum gemeinsamen Lesen, sobald das Kind grad zu lesen gelernt hat, oder gar als Vorlesebuch bereits vorher, wobei man in diesem Rahmen dann die beschriebenen Experimente mit den Kindern wiederholen kann. Die Altersempfehlung „ab 8 Jahre“ sehe ich von den zu erwartenden Lesefähigkeiten her zwar als passend an, aber wie gesagt: Die Geschichte führt dann doch eher grundsätzlich in die Thematik ein und wenn ich überlege, dass die Zwillinge meines Bruders im letzten Kindergartenjahr dort nun auch schon das Thema „Umweltschutz“ ansatzweise beackert haben, sehe ich es vom mutmaßlichen Allgemeinwissen her eher als etwas zu spät an, „Land unter bei Samuel“ erst mit >8 Jahren zu lesen. Zehnjährige sind in meinen Augen da definitiv schon zu sehr informiert als dass dieses Buch ihnen noch interessante Ansätze aufzeigen und sie zum weiteren Nachdenken inspirieren könnte. Andererseits wäre „Land unter bei Samuel“ aber zu Beginn der dritten Klasse vermutlich noch ein sehr lesenswertes Buch, grade wenn man da fächerübergreifend das Thema „Umweltschutz/Klimawandel“ durchnehmen würde.