Eher enttäuschend

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mrsamy Avatar

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England Mitte der 1970er Jahre: der kleine harte Kern einer katholischen Gemeinde aus London verbringt jedes Jahr die Karwoche an einem verregneten, unwirtlichen Landstrich an der nordenglischen Küste. Die Einheimischen nennen dieses Ort nur The Loney. Die jüngsten Teilnehmer der Pilgerfahrt sind Tonto und sein geistesbehinderter, stummer Bruder Hanny. Ihre Eltern erhoffen sich durch den Aufenthalt in The Loney ein Wunder Gottes – die Heilung Hannys. Die Mutter ist starr in ihrem Glauben und vor allem der neu eingesetzte Father Bernhard mit seiner eher lockeren Art reizt ihre Nerven. Nichts darf anders sein als sonst, alles muss einem strengen Protokoll folgen. Derweil entdecken Hanny und Tonto, auf einer Landzunge, die man nur bei Ebbe erreicht, ein altes Haus, das nicht so verlassen ist, wie es auf den ersten Blick scheint.
Dreißig Jahre später bringen heftige Unwetter eine Babyleiche bei The Loney zum Vorschein und Tonto wird mit Macht an jene Fahrt vor über 30 Jahren erinnert. Es ist eine Erinnerung, die ihm noch heute das Blut in den Adern gefrieren lässt.

Andrew Michael Hurley präsentiert mit „Loney“ ein atmosphärisch aufgeladenes Debüt. Der Leser reist gemeinsam mit der kleinen, brüchigen Glaubensgemeinschaft nach The Loney – einem Ort, der vor allem eines ist: düster. Der Autor lässt keinen Zweifel daran, dass man sich an einem Landstrich befindet, der nicht nur weit ab der normalen Zivilisation liegt, sondern an dem das Unheimliche an der Tagesordnung steht. Das Haus, welches als Unterkunft dient, war vor Jahren die Wohnstätte eines Tierpräparators. Doch noch immer ist alles so, wie er das Haus einst verließ. Die Bewohner des nahen Dorfes sind skurrile Gestalten, die scheinbar etwas zu verbergen haben. Kurzum: nichts ist normal in The Loney. Doch während die Atmosphäre durchaus stimmig komponiert ist, schleppt sich die Handlung dahin und erst im letzten Drittel des Buches kommt eine gewisse Dynamik auf. Stets wartet man auf ein Unheil oder gewisse Vorkommnisse, aber in Wahrheit passiert über lange Strecken hinweg rein gar nichts und man ist schon fast versucht, den Roman beiseite zu legen. Die handelnden Charaktere bleiben fern und oftmals ist eine Zuordnung nur schwer möglich. Ein Grund dafür liegt darin, dass Tonto, der sich 30 Jahre später zurückerinnert, die Figuren stets mit Nachnamen bezeichnet, in der mündlichen Rede werden dagegen die Vornamen gebraucht. Auch sind charakterliche Eigenheiten erst im späteren Verlaufe des Buches auszumachen. Sympathien kommen dagegen für Father Bernhard auf, der als einziger The Loney in seiner Bedeutung nicht überbewertet.
„Loney“ ist ein Roman, der durch seine Aufmachung neugierig macht, den Leser am Ende aber enttäuscht zurücklässt.