Psychoterror in der Ehe
In „Lügen über meine Mutter“ erzählt Daniela Dröscher die Geschichte einer Familie im Hunsrück der 1980er Jahre aus der Perspektive der sechsjährigen Ela. Es ist vor allem die Geschichte der Mutter, die durch die Augen des Kindes erzählt wird. Für Elas Mutter ist ihre Ehe die Hölle, sie wird permanent von ihrem Mann wegen ihres Gewichts kritisiert. Es ist ihm zur fixen Idee geworden, dass ihr Gewicht Schuld an allem ist, was ihm im Leben nicht gelingt: Beförderung, sozialer Aufstieg, Anerkennung. Das führt soweit, dass seine Frau sich regelmäßig vor seinen Augen auf die Waage stellen musste, um ihr Gewicht kontrollieren zu lassen - der reinste Psychoterror! Auch ihr Bemühen um ihr eigenes berufliches Vorankommen wird von ihm ins Lächerliche gezogen und keineswegs unterstützt; Haushalt, Kinder und was sonst noch an Care-Arbeit zu erledigen ist, ist auch in den 1980er Jahren und vor allem in der ländlichen Provinz alleinige Aufgabe der Frau.
Andererseits hat er kein Problem damit, seine Frau arbeiten zu lassen, um die Familie finanziell über Wasser zu halten, da er selbst Unsummen für Autos, Tennis, Hausbau, etc. ausgibt, um das eigene Selbstbewusstsein aufzupolieren.
Dem Leser ist recht schnell klar, wer eigentlich das armselige Würstchen in dieser Familie ist. Beim Lesen kam bei mir ganz schnell die kalte Wut auf den Vater auf - was für ein erbärmlicher Mensch!
Besonders gut gefallen haben mir die zwei Erzählperspektiven – einerseits die sechsjährige Ela, die die Ansichten ihres Vaters übernimmt und sich ebenfalls für das Übergewicht der Mutter schämt, andererseits die Einschübe, in denen die erwachsene Tochter diese Ansichten reflektiert und korrigiert und auch die Mutter zu Wort kommt. Diese beiden Perspektiven ergänzen sich perfekt und ergeben eine warmherzige, flüssig lesbare Erzählung.
Eine solche Rückständigkeit hätte ich in den Sechziger- und Siebzigerjahren für möglich gehalten, erschreckend, dass das auch in den Achtzigern noch so verbreitet war, habe ich selbst so nicht erlebt.
Aber wahrscheinlich gibt es das auch heute noch, wenn auch nicht mehr in dem Ausmaß.
Feminismus, Patriarchat, Verteilung von Care-Arbeit, etc. sind nach wie vor aktuelle Themen. „Lügen über meine Mutter“ liefert reichlich Anstoß, sich Gedanken zu machen. Daher klare Leseempfehlung meinerseits.
Andererseits hat er kein Problem damit, seine Frau arbeiten zu lassen, um die Familie finanziell über Wasser zu halten, da er selbst Unsummen für Autos, Tennis, Hausbau, etc. ausgibt, um das eigene Selbstbewusstsein aufzupolieren.
Dem Leser ist recht schnell klar, wer eigentlich das armselige Würstchen in dieser Familie ist. Beim Lesen kam bei mir ganz schnell die kalte Wut auf den Vater auf - was für ein erbärmlicher Mensch!
Besonders gut gefallen haben mir die zwei Erzählperspektiven – einerseits die sechsjährige Ela, die die Ansichten ihres Vaters übernimmt und sich ebenfalls für das Übergewicht der Mutter schämt, andererseits die Einschübe, in denen die erwachsene Tochter diese Ansichten reflektiert und korrigiert und auch die Mutter zu Wort kommt. Diese beiden Perspektiven ergänzen sich perfekt und ergeben eine warmherzige, flüssig lesbare Erzählung.
Eine solche Rückständigkeit hätte ich in den Sechziger- und Siebzigerjahren für möglich gehalten, erschreckend, dass das auch in den Achtzigern noch so verbreitet war, habe ich selbst so nicht erlebt.
Aber wahrscheinlich gibt es das auch heute noch, wenn auch nicht mehr in dem Ausmaß.
Feminismus, Patriarchat, Verteilung von Care-Arbeit, etc. sind nach wie vor aktuelle Themen. „Lügen über meine Mutter“ liefert reichlich Anstoß, sich Gedanken zu machen. Daher klare Leseempfehlung meinerseits.