Einzigartig

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joolescooper Avatar

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Marc-Uwe Kling kann mehr, als nur skurrile Geschichten über ein Känguru erzählen. Spätestens seit „QualityLand“ sollte das klar sein. Auch die Känguru-Reihe war durchaus klug konstruiert, aber mit seinem dystopischen Roman zeigte der Autor, dass das noch lange nicht alles ist, was er zu sagen hat. Und nun legt er also mit „QualityLand 2.0“ nach.
Gemeinsam ist den beiden Reihen ein ziemlicher Fatalismus, an dem beim Lesen zu keiner Zeit auch nur der leiseste Zweifel entsteht und der den Protagonisten (als Alter Ego des Autors?) immanent ist. In QualityLand 2.0 führt Kling den komplexen Entwurf eines dystopischen Gesellschaftssystems aus Androiden und Menschen, Künstlicher Intelligenz und omnipräsenter kommerzieller Überwachung rundum den Antihelden Peter Arbeitsloser nahtlos weiter. Der zweite Band ist also ganz klassisch als Fortsetzung des ersten zu sehen.
Hinzu kommen nicht wenige actionreiche Szenen, in denen Mensch gegen Maschine oder auch Mensch gegen Mensch durch Maschine kämpft, verletzt, rast und, ja, auch tötet. Der Figurenkreis wird um einige erweitert, von denen die wichtigsten durchaus komplex ausgearbeitet sind. Wie bei allen Aspekten des Romans, hat man als Leser stets das Gefühl, dass der Autor sowohl zu den Figuren als auch der Gesellschaftsordnung und allen anderen vorkommenden Systemen einen viel ausführlicheren Entwurf im Kopf (oder in der Kladde) hat, als woran er uns teilhaben lässt.
Immer wieder werden wir so auch zu philosophischen Überlegungen angeregt – über den Freiheitsbegriff im 21. Jahrhundert, über Gesellschaftstheorien, über die Liebe und nicht zuletzt natürlich über all die dystopisch ad absurdum geführten Mechanismen, die wir aus unserer eigenen Lebensrealität kennen (Kapitalismus, soziale Ungerechtigkeit, Klimakrise, Social Media, ClickBait, Verschwörungstheorien….). Es bleibt den Leser*innen überlassen, wie viel sie von den Angeboten aufnehmen wollen.
Gleichzeitig schreibt Kling mit dem ihm eigenen Witz und einer Leichtigkeit, die beim Lesen fast übersehen werden kann. Die Dialoge sind schnell und voller Hintergrund, die Kombination von Themen in den Aussagen der Figuren scheinen absurd und witzig und ergeben doch spätestens beim zweiten Lesen einen tieferen Sinn. Beispiel: „Und wenn dich der Kollege tagsüber verklärt anstarrt, kann das durchaus daran liegen, dass er dich gestern Nacht virtuell vergewaltigt hat. Schöne neue Welt.“
Nicht zuletzt ist der Roman spannend – bis zum Schluss bleibt ungeklärt, wie sich die gesponnenen Fäden nun tatsächlich entwirren lassen und es ist sicherlich nicht zu viel verraten, zu sagen, dass ein Abschluss auch am Ende dieses Bandes nicht gegeben ist.
Obwohl die Verfilmung als Serie gut vorstellbar ist, hege ich meine Zweifel, ob das tatsächlich das beste Format ist. Niemand kann wohl so schön Transkripte von YouTube-, äh MeVision-Videos weiß auf schwarz transkribieren, ohne dass man versucht ist, darüber hinweg zu blättern. Ich fände es arg schade, mir „Doppel-D“ verfilmt anschauen zu müssen.
Aus meiner Sicht ist Marc-Uwe Kling hier ein weiteres Meisterwerk gelungen, dass, wie sein Vorgänger, klug, leicht, witzig und tiefgründig zugleich ist und auch abgesehen vom Kultpotenzial noch lange im Kopf bleibt. Absolut empfehlenswert!