Requiem

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espérance Avatar

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Für die junge Pearl endet ein Tanzabend in ihrem Dorft tödlich. Ein unbekannter Täter hat auf die Neunzehnjährige eingeschlagen, eingestochen, sie erwürgt und die nackte Leiche schlecht versteckt auf einem Feld liegen gelassen. Das einzige, was bei diesem Tatmuster fehlt, ist ein typischer sexueller Übergriff. Dazu kam es laut Obduktionsbereicht nämlich nicht.
Einen Verdächtigen gibt es auch schon: Robert McGladdery, der schon wegen anderer kleinerer Delikte polizeilich bekannt ist und an besagtem Tanzabend anwesend war. Als schlecht für ihn stellt sich dann auch noch die Tatsache heraus, dass er laut der einstimmigen Aussage der Zeugen an diesem Abend mit Peral getanzt hat und dann die Veranstaltung irgendwann stark alkoholisiert verlassen habe. Er ist also ohne Alibi, hatte Kontakt mit dem Opfer und durch die Straffälligkeiten in seiner Vergangenheit wird er sehr schnell Hauptverdächtiger Nummer eins und gilt bei einigen der eingeschworenen Dorfgemeinschaft schon als der Schuldige.
Auch einige Polizisten, die an den Ermittlungen zu diesem Fall beteiligt sind, scheinen sich nur allzugerne auf den leichtesten Weg zu begeben und stempeln McGladdery als den Täter ab. Unterstützt bei der Aufklärung des Falles werden sie durch Eddie McCricks, der aus London versetzt wurde und mit der Objektivität eines Außenstehnden dafür sorgt, den Fall aus allen denkbaren Perspektiven zu beleuchten.

Bevor diese Geschichte beginnt, wird dem Leser in einer Art Prolog das Ende quasi vorweggenommen. McGladdery wird für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Doch die Neutralität des Richters wird von Anfang an in Frage gestellt, da dessen Tochter ähnlich wie Pearl als Mädchen körperlich misshandelt und dann getötet wurde. Und auch die Tatsache, dass der Angeklagte urplötzlich ein Geständnis ablegt, schürt Misstrauen beim Leser, ob bei diesem Fall wirklich alles mit rechten Dingen zuging. Dieser Eindruck bleibt bestehen, als sich die Geschichte dann zeitlich zurückverlagert an den Zeitpunkt, als die Leiche gefunden und die Ermittlungsarbeit aufgenommen wird. Allzuschnell führen die Spuren zu McGladdery und er wird ohne große Reflexion als Täter gesehen. Die Figur von McCrick bildet hier den Gegenpol zu der Voreingenommenheit der Polizei und der Dorfbewohner. Er kommt von London anch Irland und leitet die Ermittlungen, an deren Ende auf jeden Fall - schon aus rein politischen Gründen - ein Kopf rollen muss.

Nach dieser Leseprobe erwarte ich eine fesselnde Story über Intrigen, Machtspiele, Vorurteile und Justizblindheit. Der Schreibstil und die angelegten Charaktere versprechen in dieser Hinsicht einiges. Das Spannende an dem Buch ist nicht der Fall an sich, da das Ende ja gleich zu Beginn schon vorweggenommen wird, sondern die psychologische Konzeption der Figuren: wer zieht im Hintergrund die Fäden, was ist mit dem Richter und gegen welche Widerstände stößt McCrick bei den Ermittlungen? Wie genau sieht sein Scheitern aus und wie viel Raum zu Spekulationen über den wahren Tathergang gibt der Autor dem Leser? Auch deutet sich schon der ein oder andere Exkurs in die irische Mentalität an: die tiefverwurzelte Feindschaft zwischen Katholiken und Protestanten, die in den 60er Jahren ja durch den Nordirlandkonflikt noch viel präsenter auch für Außenstehende war, als heute, finde ich in diesem Zusammenhang besonders interessant.
Der Schreibstil ist schonmal sehr flüssig. Kurze und lange Sätze wechseln sich ab, insgesamt bleibt es eher sachlich, was aber der ganzen Stimmung sehr zuträglich ist.
Dem ersten Anschein nach hat das Buch also alles, was eine gute Story haben muss - ich bin gespannt darauf, wie es weitergeht.