Der goldene Weg

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
siebente Avatar

Von

John le Carré hat ihn gefunden, seinen goldenen Weg. Er ist Bestsellerautor, sein neuester Roman „Verräter wie wir“ erschien mit goldenem Cover und wurde in (fast) allen großen Zeitungen besprochen.

Um den goldenen Weg geht es auch in der Geschichte des Romans. Zwei der Protagonisten müssen herausfinden, wie sie sich richtig verhalten, wie sie also ihren goldenen Weg gehen.

Ob sich die Geschichte auch gut beim Lesen macht, dazu Stück für Stück mehr.

 

Inhaltsverzeichnis:

\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*

1. Der Autor: John le Carré

2. Ort und Zeit der Handlung

3. Die Hauptfiguren

\*\*\*a) Perry

\*\*\*b) Gail

\*\*\*c) Dima

4. Die Geschichte

5. Erzählweise

6. Zielgruppe

7. Daten zum Buch

8. Pro & Contra

9. Fazit

 

 

1. Der Autor: John le Carre

\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*

Der Name klingt französisch. Doch wer le Carre ein wenig kennt oder einen der Artikel über ihn gelesen hat, weiß: Er ist Brite und heißt David John Moore Cornwell. Er wurde 1931 geboren. Als John fünf war, verließ die Mutter die Familie. Der Vater des späteren Schriftstellers wurde mehrfach wegen Hochstapelei verurteilt.

1948 und 49 lebte le Carre/Cornwell in Bern, studierte dort Germanistik und Neue Sprachen und ging dann ans Lincoln College nach Oxford. Später unterrichtete er am Eton College. So weit, so normal für einen Schriftsteller. Doch das besondere an dem Autor: Er arbeitete auch fürs Außenministerium und den Geheimdienst, als Secret Service Agent.

Aus erster Ehe hat er drei Söhne, aus zweiter mit der Lektorin Valérie Jane Eustace einen weiteren Sohn, der unter dem Namen Nick Harkaway selber Bücher veröffentlicht.

Le Carres erster Roman  erschien 1961, sein dritter ist dem Titel nach auch Nicht-Lesern bekannt: „Der Spion, der aus der Kälte kam“ (The spy, who came in from the cold“). Der britische Verband der Kriminalroman-Autoren zeichnete ihn dafür mit dem „Dagger of Daggers“ (Dolch der Dölche) als bester Krimi der vergangenen 50 Jahre aus. Thema von John le Carre war bis in die 80er Jahre der Kalte-Krieg und damit der Ost-West-Konflikt. Seine Erfahrungen auf dem Feld der Spionage lässt er in seine Geschichten einfließen und spinnt sie weiter.

 

 

2. Ort und Zeit der Handlung

\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*

„Verräter wie wir“ hat im wesentlichen zwei Schauplätze. Antigua in der Karibik und London. Da die Handlung nicht konsequent innerhalb eines klaren Zeitraums spielt, gibt es in Rückblenden auch Bezüge zu weiteren Orten, beispielsweise zu diversen Städten in Russland.

Mit den örtlichen Sprüngen sind auch zeitliche verbunden. Einerseits ist „Verräter wie wir“ ein Roman, der im Hier und Jetzt spielt, da sich die Rückblenden/Erzählungen aber auf Vergangenes beziehen, fließen auch erfundene Ereignisse der vergangenen 10-20 Jahre ein.

 

3. Die Hauptfiguren

\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*

\*\*\*a) Perry

Perry ist der erste, dem der Leser in diesem Roman begegenet. Er ist kein Spion, er ist kein Russe. Perry ist Brite, arbeitet als Collegedozent und überlegt grade, wie er er am besten einen Neuanfang starten kann, da ihm die geregelten Bahnen seines Lebens nicht so ganz gefallen.

Als Figur macht er einen positiven Eindruck: Er wirkt charmant und sportlich, scheint dennoch nicht nur auf sich fixiert sondern gerecht und auch auf die Probleme anderer bedacht. Er ist eine Figur, die man durchaus ganz gerne als Leser begeleitet.

 

\*\*\*b) Gail

Gail ist Perrys Freundin. Sie ist Anwältin. Auch bei ihr schafft der Autor die Gradwanderung, sie nicht nur schön und glamourös erscheinen zu lassen sondern ihr auch Ecken und Kanten zu verleihen. Gail ist in der typischen Situation vieler Frauen der 2000er bzw. 2010er: Sie hat ihre Karriere und hat eine Beziehung, doch es stellt sich die Frage, wie diese Beziehung weiter geht. Zusammen mit Perry gerät sie in eine Geschichte rein, die ihre – trotz der Sorgen – recht geregelten Bahnen durcheinander wirbelt.

 

\*\*\*c) Dima

Dima ist ein reicher Russe. Das ist – viel zu verkürzt – eine von vielen möglichen Charakterisierungen der heimlichen Hauptfigur von Verräter wie wir. Zunächst ist es genau der Reichtum und Dimas undurchsichtige riesige Familie, die auffallen. Erst nach und nach erfahren Perry und Gail und durch sie und mit ihnen auch der Leser, was hinter diesem Dima steckt: Er hat den Vergewaltiger seiner Mutter ermordet, hat sich dann in Gefangenschaft einer kriminellen Organisation angeschlossen, in der er es schließlich selber zu Macht, Ansehen und Reichtum gebracht hat. Jetzt will Dima aussteigen und sucht die Hilfe des britischen Geheimdienstes.

Genau das ist es auch, was den Leser hin und her schwanken lässt: Einerseits ist es positiv, dass Dima seine kriminellen Machenschaften hinter sich lassen will. Andererseits wirkt er mit seinem riesigen Clan und mit seiner Vergangenheit extrem undurchschaubar – und damit nicht unbedingt vertrauenswürdig.

 

4. Die Geschichte

\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*

Die Handlung von „Verräter wie wir“ beginnt mit Perry Makepiece: Er ist an sich recht erfolgreich als College-Dozent und könnte sich entspannt zurück legen. Mit Gail hat er eine schöne Frau an seiner Seite, die er liebt und die ebenfalls erfolgreich ist – als Anwältin. Doch Perry, der als Sportler einige Erfolge feiern konnte, will neue Herausforderungen suchen – und bekommt sie. Allerdings auf ganz andere Art und Weise als erwartet.

Mit Gail verbringt er Urlaub auf Antigua, spielt Tennis. Und genau dort, auf dem Tennisplatz auf Antigua trifft Perry auf Dima. Der Russe macht Perry ein Angebot: Denn er will unbedingt mit dem versierten Tennisspieler eine Partie spielen. Im Publikum sitzt Dimas riesig großer Familienclan: Seine extrem gläubige Frau Tamara, Natascha, die wunderschöne Tochter aus einer anderen Beziehung, Zwillingsmädchen, und viele weitere echte und angenommene Verwandte des mysteriösen Russen. Es bleibt nicht bei dem einen Tennisspiel. Dima und sein Clan vereinnahmen Perry und Gail. Schnell macht sich Gail Sorgen um die Zwillingsmädchen und freundet sich auch mit Natascha an. Die Eltern der beiden starben bei einem Unfall – so die erste Version der Geschichte. Später erfahren Gail und Perry, dass Mischa und seine Frau Olga erschossen wurden. Genau dieser Zwischenfall ist Teil der weit verzweigten Geschichte des Dima. Der lockt das britische Paar unter dem Vorwand einer Überraschungsparty zu einem abgelegenen Ort. Tatsächlich bittet er Perry zum Gespräch und um Hilfe: Er, Dima, ist auf vielfältige Weise in die organisierte russische Kriminalität verstrickt. Perry und Gail sollen nun vermitteln, sollen für ihn Kontakte zu den britischen Geheimdiensten knüpfen und dafür sorgen, dass die Dima und seinen Clan beschützen. In Gesprächen mit dem britischen Geheimdienst erzählen Perry und teilweise auch Gail dann die Geschichte von Dima:

Alles begann damit, dass Dimas Mutter immer wieder vergewaltigt wurde. Der damals noch junge Dima tötete den Mann. In der Gefangenschaft knüpfte er Kontakte zu bedeutenden Persönlichkeiten der organisierten Kriminalität. Er schleuste auch seinen Freund und Schützling Mischa mit ein, gemeinsam stiegen beide nach ihrer Entlassung auf, sorgten in den USA und Rom für Geldwäsche und andere schmutzige Geschäfte. Dadurch, dass die beiden Männer Schwestern heirateten, wurden sie schließlich auch quasi zu Brüdern.

Zu den Geheimdienstleuten in London gehören Hector und Luke. John le Carre verfranst sich hier in Details, führt den Leser leider weg von den bis dahin vertrauten Hauptfiguren.

Wird es Gail und Perry gelingen, den „Dimas“ zu helfen und zwischen beiden Seiten zu vermitteln? Der Roman hat leider auf dem Weg zur Antwort immer wieder Längen.

 

5. Erzählweise

\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*

Wenn man die Geschichte so verkürzt wie grade eben beschreibt, klingt sie reizvoll und spannend. Kriminalität, Spionage, Verfolgung, gute Figuren, eigentlich sind das genau die Zutaten, die man für einen Erfolgsroman braucht! Doch für mich persönlich ist die Art und Weise, wie John le Carré die Geschichte erzählt, der große Haken an der Sache.

Denn man hat es nicht mit einem kontinuierlichen Verlauf der Handlung zu tun. Jedes Detail erfährt man in Rückblenden. Und die erfolgen oft quasi aus zweiter Hand: Perry erzählt was Dima ihm erzählt hat was in der Vergangenheit geschehen sein soll. Gail denkt darüber nach was ihr die Zwillinge oder Natascha anvertraut haben und was sich in jüngerer Vergangenheit ereignet haben soll. All das ist recht verworren.

Dazu kommen noch Hector und Luke, zwei Männer des britischen Geheimdienstes und ihre eigenen verschachtelten Werdegänge und Gedanken.

Für mich war das Problem bei der Sache: Durch dieses Hin- und Herspringen zwischen unterschiedlichsten Figuren und Zeitebenen wird mein Lesefluss ausgebremst. Häufig habe ich einen Abschnitt von zwei Seiten gelesen und das Buch wieder zur Seite gelegt. Aber eigentlich müsste man es in einem Zug lesen, um wirklich alle Verschachtelungen im Gedächtnis zu behalten und damit den Überblick zu behalten. Die Erzählweise ist daher insgesamt für mich der große Minuspunkt dieses Romans und ein Grund, warum ich nicht wirklich voll und ganz begeistert bin.

 

6. Zielgruppe

\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*

Da ich persönlich nicht so ganz von diesem Buch überzeugt bin, würde ich als erste klare Zielgruppe die Fans von John le Carre nennen. Wenn man dann noch weiter gehen will, wäre die nächste größere Zielgruppe Fans von eher verschachtelten Spionage-Romanen. Denn „Verräter wie wir“ ist kein klassischer Krimi oder Thriller. Außerdem schätze ich, dass es eher ein Roman für Leser ab 50 ist (da die Geschichte zum einen nicht sehr temporeich ist und zum anderen le Carre selber nicht mehr ganz jung ist) und vielleicht eher für Männer als für Frauen. Das ist aber ein Bauchgefühl und nicht konkret belegbar.

 

 

7. Daten zum Buch

\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*

John le Carre – Verräter wie wir

Ullstein, gebundene Ausgabe (Ersterscheinungsdatum 27. Oktober 2010), 413 Seiten

# ISBN-10: 3550088337, # ISBN-13: 978-3550088339

Originaltitel: Our Kind of Traitor, Übersetzung: Sabine Roth

 

 

8. Pro & Contra

\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*

Pro

- gute Grundideen für die Geschichte

- schöne Aufmachung der deutschen Hardcover-Ausgabe

 

Contra

- zu viele Perspektivwechsel

- Orts- und Zeitsprünge

- nicht stringent genug erzählt

 

 

9. Fazit

\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*\*

Verräter wie wir ... die wir Bücher vorab lesen dürfen, verraten manchmal auch unerwünschte Botschaften. In diesem Fall muss ich leider sagen, dass mich das 21. Werk von Bestseller-Autor John le Carre nicht so ganz überzeugt hat. Der Schriftsteller mit Spionage-Erfahrung hat zwar gute Grundideen für die Geschichte. Und auch die Aufmachung der (deutschsprachigen) Hardcover-Ausgabe mutet im wahrsten Sinne des Wortes goldig an. Leider ist der Inhalt insgesamt aber nicht ganz so golden und glorreich.

Das liegt für meinen Geschmack zum einen an den vielen Perspektivwechseln. Le Carre bleibt nicht bei seinen – an sich sehr guten – Hauptfiguren. Er springt, hat zwar mehrere facettenreiche Charaktere, belastet den Leser aber noch zusätzlich mit Orts- und Zeitsprüngen. All das sorgt dafür, dass die Geschichte nicht stringent genug erzählt ist.

Mich kann „Verräter wie wir“ nicht überzeugen. Ich gebe eine mittlere Wertung und würde den Roman persönlich nur echten Fans von John le Carre empfehlen.