Die heiligen Gesetze des Krickets

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owenmeany Avatar

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Je mehr Bücher man gelesen hat von John le Carré, umso stärker misstraut man Zeitungsmeldungen aller Art, denn dieser Autor kennt sämtliche Finessen, mit denen die Geheimdienste aller Nationen die Öffentlichkeit täuschen und manipulieren, aus erster Hand und weiß sie anschaulich und spannend darzustellen. 

War der Kalte Krieg in seinen acht Smiley-Agentenromanen das prägende Schema, gehen ihm nach dem Zusammenbruch des Eisernen Vorhangs keineswegs die Themen aus: schon 1983 macht er in der „Libelle“ den Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis deutlich, spürt im „Nachtmanager“ dem internationalen Waffenhandel nach. Der „Schneider von Panama“ wird in US-amerikanische Intrigen in Mittelamerika verstrickt, und in „Marionetten“ spielt er auf der Klaviatur unserer Ängste vor islamistischen Terroristen. 

Diese weltgeschichtlichen Verwerfungen bricht le Carré herunter auf ihre Auswirkungen auf unbescholtene Bürger wie du und ich, und das macht seine Romane so plastisch, nachvollziehbar und verstörend. Es gibt keine Möglichkeit, diesen bösartigen Ränken der sinistren, immer verborgen agierenden Fädenziehern hinter den Kulissen zu entgehen. Immer sind es politisch halb gebildete, hochmoralisch empfindende Menschen lauteren Herzens, die ins Fadenkreuz der Verwicklungen geraten und am Ende erheblich Federn lassen müssen, indem sie Mühe haben werden, ihr Leben wieder in gerade Bahnen zu bekommen. 

So lernt ein junges britisches Ehepaar bei einem Tennisurlaub auf der karibischen Insel Antigua den in jeglicher Hinsicht imposanten russischen Millionär Dima kennen, der sie bittet, für ihn den Kontakt zum Secret Service des United Kingdom herzustellen. Er erhofft für sich und seine Familie Asyl im Westen, um den gnadenlosen Vernetzungen in schwarze Geldgeschäfte und den damit verbundenen mafiösen Strukturen zu entrinnen. Seine Frau ist von Folter gezeichnet, sein Freund und dessen Frau fielen jüngst einem Anschlag zum Opfer, er kümmert sich um deren verstörte Kinder und fürchtet selber um sein Leben. 

Gewaltig konzentrieren muss man sich die ersten hundert Seiten über, die nicht chronologisch erzählt werden, sondern die Fakten in ein Verhör von Peregrine und Gail Makepeace durch Geheimdienstbeamte in einer sicheren Londoner Wohnung einbetten. Alle Vorkommnise, auch die Dynamik zwischen Perry, dem Universitätsprofessor der Geisteswissenschaften, und seiner Frau, einer aufstrebenden, über die Maßen attraktiven Rechtsanwältin, sind mehrfach gebrochen. Man muss den Überblick behalten über doppelte Identitäten und Decknamen. Das erleichtet einem le Carré aber dadurch, dass er die Personage nicht ausufern lässt und jeweils durch individuelle Merkmale eindeutig charakterisiert. Es gelingt ihm mit wenigen markanten Strichen, allen Figuren durch eine prägnante Vorgeschichte Leben einzuhauchen und damit die Empathie des Lesers so weit zu wecken, dass er die Motive versteht und nachvollziehen kann. 

Köstlich ist dabei natürlich immer wieder das typische Understatement, das unsere Vorurteile bezüglich der Inselbewohner auf das Amüsanteste bestätigt, z.B. wie souverän und majestätisch Gail plumpe Annäherungsversuche von Männern unter ihrem Niveau abzuschmettern vermag. Rührend mutet es dagegen an, wie sie angesichts der Kinder in schierem Mitgefühl dahin schmilzt. 

Der hohe Anteil wörtlicher Rede macht die Lektüre abwechslungsreich und lebendig, stellt aber eine Herausforderung dar, die Zusammenhänge nicht aus den Augen zu verlieren, da man bei ironischem Zungenschlag durchaus die entsprechenden Abstriche einkalkulieren muss. Stellt man sich dieser Problematik, so kommt man in den Genuss, sozusagen über die Schultern der Romanfiguren hinweg dem Autor kongenial zuzuzwinkern, und das ist ein großes Lesevergnügen, das ich bei reinen Krimis, die Spannung mit sinnarm und austauschbar aneinander gereihten Versatzstücken erzeugen, so nicht erlebe. 

Ab der Mitte des Buchs gewinnt die Story zusehends an Fahrt, schlägt noch mehrere Volten und mündet dann in ein fulminantes Ende, das zu verraten ich gegenüber denen, die sich noch auf das Buch freuen, unfair fände. 

Ich mache mir nun nur meine eigenen Gedanken über die kürzlich im Frachflugzeug gefundene Druckerpatronenbombe.